Die Aktie von Wirecard ist am Dienstagabend im nachbörslichen Handel bei Tradegate um bis zu 8,4 Prozent eingeknickt. Am Mittwochmorgen deutet sich eine Fortsetzung der Talfahrt ab. Wieder stecken Fragen zur Bilanzierung des DAX-Konzerns hinter den heftigen Verlusten.
Wie das Handelsblatt am Dienstagabend unter Berufung auf Dokumente im Register der singapurischen Finanzaufsicht Acra berichtet, hat der Zahlungsabwickler für die Geschäfte seiner Asien-Tochter in Singapur für das Jahr 2017 kein Testat erhalten (DER AKTIONÄR berichtete).
Grund dafür seien laut dem Bericht „gravierende Probleme bei der Rechnungslegung“ sowie der Umstand, dass bestimmte Unterlagen nicht zur Verfügung gestanden hätten – und zwar wegen der laufenden Untersuchung der Finanzaufsicht CAD.
Das sagt Wirecard
Inzwischen hat Wirecard auf seiner Investor-Relations-Website ein Statement zu dem Zeitungsartikel veröffentlicht. Darin heißt es: „Für die Wirecard-Gruppe ist der Konzernabschluss nach IFRS maßgebend. Dieser wurde für die Geschäftsjahre 2017 und 2018 von Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft geprüft und uneingeschränkt testiert.“
Das Wirecard-Statement im Wortlaut finden Sie hier.
Trotzdem sei der lokale Abschluss für das Geschäftsjahr 2017 nach dem lokalen Rechnungslegungsstandard SFRS geprüft worden. Wirecard räumt ein, dass Dokumente aufgrund von Einschränkungen durch Ermittlungen in Singapur teilweise nicht zugänglich waren, „sodass sich der lokale Prüfer auf Basis geltendem lokalen Rechnungslegungsstandard kein abschließendes Prüfungsurteil bilden konnte.“
Der lokale Abschluss sei jedoch „im Rahmen der Möglichkeiten ordentlich geprüft“ und ordnungsgemäß im entsprechenden Unternehmensregister in Singapur veröffentlicht worden – samt Bestätigungsvermerk der Prüfer.
Alles richtig gemacht?
Mit dieser Argumentation war eine Wirecard-Sprecherin bereits im Handelsblatt-Artikel zu Wort gekommen. Trotzdem bleibt ein bitterer Beigeschmack: Obwohl seit Monaten über die Bilanzierungspraktiken des Unternehmens diskutiert wird, sah Wirecard bislang offenbar keine Notwendigkeit, die Anleger proaktiv über das fehlende Testat zu informieren.
Auch die Anleger reagieren am Mittwochmorgen skeptisch: Im vorbörslichen Handel ging es für die Wirecard-Aktie um bis zu acht Prozent bergab.War es Wirecard zwischenzeitlich gelungen, die Investoren mit News zur operativen Entwicklung zu beschwichtigen, gewinnen die implizitem Bilanz-Vorwürfe der Financial Times durch die Handelsblatt-Recherchen erneut an Brisanz. Spannend wird daher, was die laufende Untersuchung der Behörden in Singapur sowie die Sonderprüfung durch KPMG zutage fördern wird.
DER AKTIONÄR sieht sich angesichts der jüngsten (Kurs-)Entwicklung in seiner abwartenden Haltung bestätigt.
Hinweis nach §34 WPHG zur Begründung möglicher Interessenkonflikte: Aktien oder Derivate, die in diesem Artikel besprochen / genannt werden, befinden sich im "Real-Depot" von DER AKTIONÄR.