VW richtet sich auf eine mögliche längere Mikrochip-Lieferkrise ein. Das Fehlen größerer Mengen von Elektronik-Bauteilen dürfte nach jetziger Einschätzung wohl nicht so rasch vorbei sein, sagte Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch am Rande der IAA-Messe. Immerhin sei die Konjunkturlage in der Autoindustrie nach dem Corona-Tief 2020 jedoch relativ stabil.
"Wir müssen uns damit auseinandersetzen, dass wir bis ins erste Halbjahr 2022, vielleicht auch noch weitergehender mit Auswirkungen (Produktionseinbußen, Kurzarbeit) zu rechnen haben", so der Chefkontrolleur des größten deutschen Unternehmens am Montag in München. Pötsch betonte, die Fabriken der großen Chipproduzenten würden "rund um die Uhr gefahren werden - da gibt es aktuell keine größeren Spielräume".
Falsche Einschätzung
Autobauer hatten den künftigen eigenen Bedarf nach dem Wiederanspringen der Nachfrage seit Ende 2020 unterschätzt und daher vielerorts Lieferverträge storniert. Die entsprechenden Volumina fehlen jetzt, stattdessen werden oft Abnehmer aus anderen Wirtschaftszweigen vorrangig versorgt.
Bau von Chip-Fabriken dauert
Rasche Neubauten von Chipfabriken hält Pötsch für eher unrealistisch: "Der Bau zusätzlicher Halbleiterfabriken kostet Zeit, unter zwei bis drei Jahren ist meist nichts möglich. Und die Investitionsdimensionen sind enorm." Parallel dazu werde durch die Digitalisierung noch die Nachfrage nach den unerlässlichen Komponenten aus Silizium oder Germanium zulegen: "Der mittelfristige Bedarf an Halbleitern wird größer sein, als er noch vor kürzerer Zeit eingeschätzt worden ist."
VW will eigene Chip-Kompetenzen steigern
Der VW-Chefaufseher sprach sich für ein koordiniertes Vorgehen zwischen den EU-Staaten aus, um dem Thema mehr Aufmerksamkeit zu widmen. VW selbst plant bereits eine größere Eigenständigkeit bei der Entwicklung spezieller Auto-Anwendungen: "Wir müssen als Unternehmen auch unsere Kompetenzbasis beim Thema Chipdesign deutlich anreichern und das gesamte Geschäft durchdringen, damit wir in der Lage sind, hier auch eigene Beiträge zu leisten", so Pötsch.
Aufgestaute Nachfrage nicht handelbar
Die durchwachsenen Verkäufe in mehreren Automärkten und die zuletzt deutlich gesunkenen Neuzulassungen in Deutschland führt der VW-Aufsichtsrats-Boss unter anderem auf die Schwierigkeiten zurück, die aufgestaute Nachfrage vom Höhepunkt der Corona-Krise rasch zu bedienen. Doch die grundlegenden Konjunkturdaten der Volkswirtschaften böten Grund zur Zuversicht. Sie seien in vielen Automärkten "weiter positiv und stark", meinte er.
Die Chip-Problematik ist nicht zu unterschätzen. Dennoch ist VW-Chefaufseher unter dem Strich positiv gestimmt. Wichtig wäre, dass die Aktie den GD50 (aktuell: 205,24 Euro) überwindet – dann könnte es schnell weiter Richtung 220 Euro gehen. Kurzum: Investierte Anleger bleiben dabei, etwaige Neueinsteiger warten besser auf ein frisches Kaufsignal.
(Mit Material von dpa-AFX)