Die Aktien der Energieversorger E.on und RWE dürften heute wieder besonders im Fokus stehen. Die Branchengrößen blicken gespannt nach Karlsruhe. Dort wird der Bundesgerichtshof heute ein wichtiges Urteil für die gesamte Versorgerbranche fällen.
Wenn Gasunternehmen die Preise erhöhen, müssen sie ihre Kunden rechtzeitig informieren und ihnen ein Sonderkündigungsrecht einräumen. Wie weit die Informationspflicht reicht, darüber herrscht aber Uneinigkeit. Und deshalb hat sich der Bundesgerichtshof mit dieser Frage beschäftigt. Heute werden die Bundesrichter bekanntgeben, ob Preiserhöhungen der vergangenen Jahre unwirksam sind, weil die Versorger nicht transparent genug informiert und zum Beispiel keine Begründung geliefert haben.
Worum ging es im konkreten Fall?
Hintergrund ist einer Aufforderung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH). Der EuGH forderte in einem Urteil vom März mehr Transparenz und beauftragte den BGH, die Sachlage zu untersuchen. Anlass ist eine Klage der Verbraucherzentrale NRW. Sie hat im Namen von 25 Verbrauchern gegen vier Preiserhöhungen des Essener Energiekonzerns RWE beziehungsweise Vorgängerunternehmen in den Jahren 2003 bis 2005 geklagt. Die Verbraucherschützer halten die Erhöhungen für ungenügend begründet und fordern deshalb 16.128,63 Euro zurück.
Die Sachlage
RWE hatte - wie in der Branche weithin üblich - bei der Formulierung seiner Preisanpassungsklausel in den Verträgen für die 25 sogenannten Sonderkunden auf die gesetzliche Regelung der Grundversorgung verwiesen. Das waren zum Zeitpunkt der Schreiben die Allgemeinen Vertragsbedingungen Gas, später die weitgehend gleiche Grundversorgungsverordnung Gas. Nach der aktuell gültigen Fassung verlangt sie nur ein Erhöhungsschreiben und das Einstellen im Internet sowie ein Sonderkündigungsrecht. Dagegen pocht das europäische Gericht auf weit mehr Kundeninformation: Die transparente Darstellung von Grund und Ablauf der Erhöhung und eine klare Aufstellung der jetzigen und künftigen Entgelte.
Musterklage
Preiserhöhungen für Sonderkunden ohne transparente Begründung sind laut der EuGH-Entscheidung möglicherweise unwirksam. Das heißt, man kann sein Geld zurückfordern - auch rückwirkend, wie das Gericht betont hat. Die Details muss nun der BGH bei seiner Umsetzung in deutsches Recht festlegen - vor allem, was die Übertragbarkeit auf andere der rund 400.000 RWE-Gaskunden und darüber hinaus die gesamte Branche angeht. Das Urteil wird auch von den Branchengrößen E.on und RWE mit Spannung erwartet, denn es geht dabei um sehr viel Geld: Schon bei den 25 Verbrauchern um 16.000 Euro. In Deutschland haben aber mehr als sechs Millionen Menschen einen Sonderkundenvertrag wie in der Musterklage der Verbraucherschützer. Theoretisch könnte die Branche vor Rückzahlungsforderungen in Millionenhöhe stehen.
Berechtigtes Interesse
Angesichts der drohenden Millionenzahlungen blicken die ohnehin klammen Branchengrößen E.on und RWE zu Recht mit Anspannung auf das heutige Urteil des BGH. Eine Abweisung der Klage dürfte der jüngsten Erholungsbewegung von E.on Rückenwind verleihen. Ob die Aktien der beiden größten deutschen Energieversorger insgesamt ein Kauf sind, hat DER AKTIONÄR in der aktuellen Titelstory „Die größten DAX-Nieten: Verluste ohne Ende, oder Chance des Jahres?" analysiert. Die neue Ausgabe (32/13) erhalten Sie hier bequem zum Download als ePaper und wie gewohnt ab heute auch am Kiosk.
Mit Material von dpa-AFX