Losgelöst! Entrückt! Verrückt? Die digitale Weltwährung Bitcoin erreicht ein neues Hoch. Losgelöst, weil es keinerlei Anker gibt, der Bitcoin auf dem Boden der Tatsachen halten könnte. Der Wert eines Autos orientiert sich an seinen Herstellungskosten, der einer Firma/Aktie an ihren abgezinsten künftigen Gewinnen, der von Gold auch an den Förderkosten und der einer klassischen Währung an der Wirtschaftskraft und Währungspolitik eines Landes. Bitcoin ist anders: komplett frei von staatlicher Einflussnahme oder einem inneren Wert. Das macht die Spekulation mit dem vermeintlichen Zahlungsmittel der Zukunft so spannend: Bitcoin bei 100 Dollar sind genauso gut möglich wie Bitcoin bei 10.000 Dollar. Oder gar 500.000 Dollar? Daran glaubt Snapchat-Investor Peter Smith. Der Kurs könne sich bis 2030 von 1.500 auf 500.000 Dollar ver-300-fachen. Er argumentiert mit dem einzig möglichen Ansatz, einen Wert von Bitcoin zu bestimmen: Angebot und Nachfrage. Während die Anzahl der Stücke aufgrund der vordefinierten Formel anders als bei Euro oder Dollar quasi nicht mehr steigen kann, dürfte das Interesse an Bitcoin weiter sprunghaft zunehmen. Die Hoffnung von Smith: Die Bitcoin-Gemeinde wächst von sieben Millionen auf 400 Millionen Menschen. Und diese nutzen die globale „Währung“, welche ohne Banken funktioniert, als direkten und günstigen Weg, „Geld“ zu transferieren. 50 Prozent aller Transaktionen könnten dann über Bitcoins abgewickelt werden. Derzeit bringen alle Bitcoins gemeinsam eine Marktkapitalisierung von rund 27 Milliarden US-Dollar auf die Waage. Das sind weniger als 0,5 Prozent des Wertes allen Goldes auf der Welt. Angenommen: Würde Bitcoin als digitales Gold nur zehn Prozent so bedeutsam wie Gold, könnte sich der Kurs ver-26-fachen. Spannend: Privathaushalte verfügen über 155.000 Milliarden Dollar Kapital. Ein Prozent davon in Bitcoin geparkt? Das wären 1.550 Milliarden oder die 60-fache Marktkapitalisierung.
Noch ein Schattendasein
Doch noch ist Bitcoin in den meisten Geschäften kein akzeptiertes Zahlungsmittel. Eine Ausnahme ist das Darknet. Hier wird oft mit Bitcoin bezahlt, da die Internetwährung eine große Anonymisierung ermöglicht. Auch als Investment ist Bitcoin die Ausnahme. Große Hürde: Der Kauf war lange nur über Plattformen wie Bitcoin.de möglich. Das könnte sich schon bald ändern. Die SEC prüft im Mai erneut, ob ein Indexfonds zugelassen wird, der Investitionen in Bitcoin für mehr Anleger zugänglich macht.
Doch bisher sind staatliche Stellen skeptisch. Die Bundesbank warnt etwa vor Geldanlagen in der Kryptowährung. Der Bitcoin sei „ein Spekulationsobjekt“.
Weiteres Risiko für Bitcoin: Die Ablösung durch neue, noch innovativere Kryptowährungen. Bitcoin.de-Chef Oliver Flaskämper sieht etwa Chancen bei Ethereum, welches durch sein technisches Potenzial mit Smart Contract überzeugt. „Dash und Monero punkten hingegen bei der Anonymisierung.“ Dennoch sieht Flaskämper auch beim Original, der größten und bekanntesten Kryptowährung Bitcoin, noch einiges an Potenzial: „Wenn Bitcoins sich als das digitale Pendant zum analogen Gold entwickeln, dann sind 500.000 sicherlich noch nicht das Ende der Fahnenstange.“ Ist das nicht übertrieben? „Aus heutiger Sicht ja, aber das war 2011 nicht anders, als bei einem Kurs von 1,00 Dollar jemand gesagt hat, dass ein Bitcoin fünf Jahre später einen Wert von 1.000 Dollar haben würde. Es ist immer nur eine Frage der Perspektive.“
10 oder 500.000?
Wer an die Zukunft der Blockchain-basierten Weltwährung glaubt, kann mit ein wenig Geld mitspielen. Ernsthafte Summen sollten nicht investiert werden, selbst Hardcore-Fan Flaskämper rät nur zu zwei bis fünf Prozent des Vermögens. Der Vorteil: Bitcoin ist losgelöst von klassischen Währungen und Assetklassen. Dies sorgt für geringe Korrelation und Diversifikationsvorteile. Alles ist möglich.
Dieser Artikel ist in der AKTIONÄR-Ausgabe 20/2017 erschienen.
(Der Autor besitzt Bitcoins)