Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein ...“, so Reinhard Mey sehnsüchtig in seinem Evergreen. Komplette Narrenfreiheit gibt es in der Realität leider nicht. Doch die US-Flugbehörde hat die Regeln für unbemannte Fluggeräte nun deutlich gelockert. So ist die ohne große Genehmigungen erlaubte Flughöhe für kleine Drohnen Ende März von 60 auf 120 Meter glatt verdoppelt worden. Wer mit seinem per Kamera ausgestatteten Fluggerät sein Viertel oder ein Hochhausdach von weit oben filmen will, kann nun einfach loslegen – solange er bei Tageslicht fliegt, sich von Flughäfen fernhält und sein Fluggerät nur in Sichtweite operieren lässt. Auch für größere Drohnen, wie sie etwa das Militär zur Truppenbeobachtung einsetzt, wird die Regulierung gelockert.
Der französische Technologiekonzern Parrot wird diesen neuen Rückenwind direkt nutzen. Während Parrot-Drohnen in Deutschland etwa in Media Märkten verkauft werden, wurden nun auch in den USA zahlreiche ähnliche Vertriebskooperationen geschlossen. Schon jetzt ist das Produktportfolio beeindruckend. Neben der Mittelklassedrohne (siehe Bild) „Bebop 2“ (circa 550 Euro) wurden 2015 gleich ein Dutzend weitere Spielzeugdrohnen für den kleinen Geldbeutel eingeführt. Daneben bietet Parrot auch Fluggeräte für professionelle Anwendungen an. In diese Kategorie fällt etwa das gerade vorgestellte Fluggerät „Parrot Disco“, welches sich 45 Minuten mit nur einer Batterieladung in der Luft hält. Zum Vergleich: Normalen Hobbydrohnen geht schon nach zehn Minuten der Saft aus. Wenn die „Parrot Disco“ ihre Kreise in den Wolken zieht, um Landschaftsaufnahmen zu machen oder Pipelines zu inspizieren, kann sich der Pilot am Boden entspannen: Parrot hat einen Autopilot installiert, der das Fluggerät stabil autonom schweben lässt.
Alleine im vierten Quartal 2015 hat die Technologiefirma 400.000 Drohnen abgesetzt. Doch Parrot will noch viel, viel höher hinaus. Bereits Mitte 2015 sagte Parrot-CEO Henri Seydoux gegenüber dem aktionär: „Das Ziel ist es, das Wachstum zu beschleunigen und mutig zu investieren.“ Ende 2015 hat er dann in einem überraschenden Schritt eine extrem hohe Kapitalerhöhung durchgeführt – welche die Aktie unter Druck brachte. Doch diese Maßnahme brachte Parrot rund 300 Millionen Euro frische liquide Mittel – bei einer Bewertung von 560 Millionen Euro. Bereits 2015 legten die reinen Drohnenumsätze bei Parrot um 121 Prozent auf 183 Millionen Euro zu. Der operative Gewinn war mit 2,1 Millionen Euro noch relativ gering, stieg aber um 258 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Für 2016 ist der Ausblick erneut vielversprechend. Das Drohnenbusiness wird erneut „stark wachsen“.
Das erste Halbjahr 2016 wird jedoch als „Konsolidierungsphase“ angegeben. Diese nutzt Parrot, um einen Teil seiner Nettoliquidität von 332 Millionen Euro in neue Produkte zu investieren. Trend sind etwa komplett autonom fliegende Roboterdrohnen oder die Preisklasse von 2.000 bis 3.000 Euro für semiprofessionelle Filmer, welche der chinesische Marktführer DJI dominiert. Entwickelt werden die neuen Himmelsstürmer auch von 200 neuen Ingenieuren, die Ende 2015 eingestellt wurden. Nach eigenen Angaben „einzigartige“ Drohnen entwickelt Parrot etwa für die Analyse des Reifegrades von Feldfrüchten aus der Luft.
Auch die Verdopplung des Marketingund Verkaufspersonals zeigt, dass Parrot auf eine Fortsetzung des Höhenfluges setzt. Blackbox bleibt hingegen das Geschäft mit Automobilherstellern wie BMW. Diesen bietet Parrot Navigationsund Freisprechlösungen an – zuletzt waren die Umsätze rückläufig, was jedoch angesichts des Erfolges des Drohnenbusiness weniger ins Gewicht fällt. 2016 und 2017 wird Parrot massiv investieren und erst 2018 die Marge wieder hochfahren, weswegen die Bewertung auf KGV-Basis nicht zielführend ist. Welches Potenzial nach dem Kursrückgang wieder in dem Papier steckt, zeigt jedoch der Blick auf das Verhältnis von Umsatz zu Marktkapitalisierung. So wurde etwa Marktführer DJI in der letzen bekannten Finanzierungsrund mit dem 8-fachen Umsatz bewertet, während das cashbereinigte KUV von Parrot nur bei einem Zehntel liegt.
Richtig abgestürzt ist die Aktie des Actionkameraherstellers GoPro. Mit der handlichen Actionkamera auf dem Helm werden Snowboardsprünge gefilmt: Gelingt der Stunt, ist Applaus garantiert – Unfälle passieren immer wieder. Auch die GoPro-Aktionäre müssen Mut zum Risiko mitbringen. GoPro ist eine Firma der Extreme: So ist der Umsatz im vierten Quartal um 31 Prozent eingebrochen. Doch im Mai oder Juni könnte mit dem Marktstart einer revolutionären Roboterdrohne der Wind wieder drehen. Die „Karma“ fliegt alleine, also ohne Fernsteuerung, und filmt dabei den Sportler.
Während GoPro neu abheben will, ist AeroVironment ein Pionier im Drohnenbusiness. Die Firma besteht seit 1971. Anfangs wurde mit muskelgetriebenen Flugzeugen experimentiert, die den Ärmelkanal überflogen. Schon vor Jahrzehnten hat das US-Unternehmen solarbetriebene Fluggeräte und Drohnen entwickelt. Heute werden die Fluggeräte etwa zur Pipelineüberwachung eingesetzt. Größter Kunde ist das Militär. Mittlerweile wurden 25.000 solcher Fluggeräte an 30 Regierungen ausgeliefert. So vertraut das australische Militär Wasp- Drohnen der Amerikaner. Diese sind tragbar, fliegen auf Befehl über die feindlichen Linien und senden Livebilder der Truppen. Ein boomender Markt: Laut Goldman Sachs ist das Budget für Drohnen mit Raten von neun Prozent das am schnellsten wachsende des US-Militärs.
Die Angst vor einem Absturz fliegt bei Drohnen-Aktien mit. Doch bei Parrot sollten Anleger den Einstieg wagen. Denn die Chance auf einen erfolgreichen Neustart ist hoch. Und es wäre schade, wie Reinhard Mey nur zuzusehen und am Ende festzustellen „Ich wär gern mitgeflogen.“
(Dieser Artikel erschien im AKTIONÄR Ausgabe 15/16 als Top-Tipp Spekulativ)