Es läuft wieder rund bei der TUI: Der Tourismusriese steigerte zuletzt seinen Gewinn deutlich und ist auf einem guten Weg, dies auch im laufenden Geschäftsjahr zu wiederholen. DER AKTIONÄR sprach mit dem Finanzvorstand Horst Baier über die aktuelle Entwicklung und die Perspektiven für den Konzern.
Sehr geehrter Herr Baier, wie aus den jüngsten Berichten hervorgeht, spürt TUI keine Auswirkungen des Brexit-Votums. Befürchten Sie mittel- bis langfristig negative Effekte, etwa durch die geschmälerte Kaufkraft des britischen Pfunds?
Horst Baier: 2015/2016 hat TUI mit einem hervorragenden Ergebnis abgeschlossen. Trotz zahlreicher Herausforderungen in der Welt - dazu gehörte auch das Votum für den Brexit - haben wir das operative Ergebnis um 14.5 Prozent gesteigert. Gerade wurde unser Rating von Standard & Poor‘s auf BB angehoben. In den letzten Jahren ist eine neue TUI entstanden, das zeigt sich jetzt sehr deutlich. Beim Brexit spielen mindestens drei Faktoren eine Rolle: Erstens, wie sieht der Brexit am Ende aus, das ist doch auch acht Monate nach der Abstimmung alles sehr vage. Zweitens, unsere eigene strategische Positionierung und Stärke. Und drittens gesellschaftliche Trends. Reisen bleibt ein Grundbedürfnis der Menschen, insbesondere der jungen Generation. Sie leben in einem offenen freien Europa, haben über das Internet Freunde in aller Welt und werden auch über das Internet neugierig auf andere Länder. Das gilt auch für die Briten. Ich kann nicht in die Glaskugel blicken, wie sich das Konsumverhalten in einzelnen Ländern durch politische Entscheidungen verändert. Wir konzentrieren uns auf unsere Stärken, strategisch und operativ. Damit sind wir auch 2015/16 gut gefahren und haben geliefert.
Bei der Umsatzverteilung wird bei Ihnen gewissermaßen die Herkunft der Reisenden ausgewiesen. Daher unsere Frage: Wie viel Prozent des Umsatzes werden in etwa im westlichen Mittlermeer (plus Griechenland) erzielt? Wie viel Prozent in den arabischen Mittelmeerstaaten (plus Türkei) und welcher Anteil entfällt auf Fernreisen?
Unsere Stärke ist Vielfalt und Flexibilität, wenn geopolitische Krisen das Geschäft in einzelnen Regionen beeinflussen. TUI ist in mehr als 100 Ländern der Welt aktiv. Mit eigenen Hotels unserer Gesellschaften RIU oder Robinson und Partnern. Die Zahl der Märkte steigt, weil der weltweite Tourismus stark wächst und, weil sich Kundenwünsche ändern. Damit haben wir ein starkes Portfolio von Quellmärkten und Zielgebieten, was auch unsere Robustheit ausmacht. Spanien ist und bleibt aber bei den Zielgebieten die Nummer Eins. Griechenland erlebt eine starke Renaissance. Die Langstrecke mit der Karibik und Mexiko ist im Kommen. Unsere TUI-Fluggesellschaften aus England, den Niederlanden und Belgien fliegen bereits die modernsten Dreamliner von Boeing. Die sind sehr kosteneffizient, Fernreisen werden dadurch erschwinglich für eine große Zahl Urlauber. Und sie sind sehr umwelteffizient.
In welchen Märkten sehen Sie aktuell das größte Wachstumspotenzial für die TUI?
Bei den Zielgebieten setzen wir weiter auf Ganzjahresdestinationen wie die Karibik und Mexiko. RIU will bis 2020 sechs neue Hotels in Mexiko eröffnen, eines noch in diesem Jahr. Neue Kundengruppen wollen wir in Wachstumsmärkten erschließen, wie China, Indien oder Brasilien. Für TUI sind das heute bereits Zielländer, wir bieten unsere Services dort aber noch nicht an, obwohl TUI sehr bekannt ist. Das gilt übrigens auch für Spanien, Portugal oder Italien. Wir haben eine global starke und prägnante Marke. Die wollen wir stärker nutzen, noch internationaler zu werden. Unser Zukunftsprogramm "TUI 2022" setzt auf diese Wachstumsregionen der Welt mit stark wachsenden Mittelschichten. Bis 2022 soll dieses Segment eine Million zusätzliche Kunden gewinnen und eine Milliarde Euro zusätzlichen Umsatz. Erfahrungen haben wir bereits in den USA und Kanada gesammelt. Kanadier und Amerika reisen inzwischen mit uns, insbesondere in die Karibik. Mit unserer Tochter Sunwings sind wir dort gut positioniert. Für unsere Hotelinvestitionen bedeutet das, wir sind bei Belegung und Auslastung weniger abhängig von traditionellen Quellmärkten in Europa, wenn wir zusätzlich auch Kunden in Asien und in Nord- und Südamerika gewinnen.
Welche Urlaubstrends dürften in den kommenden Jahren an Bedeutung gewinnen?
Kreuzfahrten bleiben ein großer Wachstumsmarkt. Der Boom wird auch die nächsten zehn Jahre anhalten und neue Kundengruppen ansprechen. Das sehen wir jetzt schon, denn Kreuzfahrten werden vor allem jünger. Gleichzeitig profitieren wir von der Demographie, die Generation 60+ ist aktiv, gesund, verfügt über Zeit und Einkommen. Die Europäer entdecken Kreuzfahrten erst seit ein paar Jahren, wir liegen bei der Nachfrage aber noch weit hinter den USA zurück. Es ist eine sehr bequeme Form viele attraktive Städte kennen zu lernen. TUI hat mit Hapag Lloyd, TUI Cruises und Thomson Cruises drei europäische Kreuzfahrtgesellschaften. Hapag Lloyd ist führend im Luxus- und Expeditionssegment, unter andere mit der Europa und der Europa 2. TUI Cruises mit der "Mein Schiff"-Flotte ist bei Familien sehr beliebt, mit attraktiven Routen, einem großem Sport- und Wellness-Angebot an Bord. Wir taufen im Sommer "Mein Schiff 6" und 2018 und 2019 kommen zwei weitere Schiffe in die Flotte. Wir haben zusätzlich für Hapag-Lloyd Cruises zwei neue Expeditionsschiffe bestellt. Wir investieren in diesen Zukunftsmarkt und setzen gemeinsam mit den Werften Standards für moderne Schiffe. Der Engpass sind heute die wenigen Werften, die solche Schiffe nach unseren Vorstellungen bauen können.
Seit Wiederaufnahme der Dividendenzahlung wurde dieses Jahr bemerkenswert stark erhöht. Gibt es ein konkretes Ziel bezüglich der künftigen Ausschüttungsquote oder der Dividendenkontinuität?
Wir haben klare Ziele für den Konzern vorgegeben, die Profitabilität von Geschäften eingefordert und die Transformation des Unternehmens konsequent vorangetrieben. Die Erfolge sehen wir auch in Form der attraktiven Dividendenrendite für unsere Aktionäre. Sie lag zuletzt bei knapp fünf Prozent. Die TUI ist wieder kerngesund, international Marktführer und sie hat finanziell allen Spielraum für Investitionen. Ein Unternehmen ist gut geführt, wenn Kunden, Aktionäre und Mitarbeiter an der Entwicklung partizipieren und es langfristige Ziele verfolgt. Profitables Wachstum ist ein wichtiger Indikator. Das haben wir die letzten Jahre bewiesen. Unsere Ziele bei Kreuzfahrten und mit "TUI 2022" in neuen Märkten zeigen, dass wir Ambitionen für die Zukunft haben. Die Erfolgsgeschichte soll weitergehen. Dividendenkontinuität ist unser Ziel. Das haben wir bei der Übernahme der britischen TUI Travel versprochen.
Oder steht der weitere Abbau der Verbindlichkeiten eher im Fokus als die Dividende?
Beides ist gleich wichtig. Die Aktionäre haben ein Anrecht auf eine attraktive Verzinsung Ihres Kapitals. Das leisten wir seit 2014. Gleichzeitig hat der Abbau der Verschuldung große Fortschritte gemacht. Das zeigt sich auch durch die Neubewertungen der Ratingagenturen, zuletzt hat uns S&P auf "BB" hochgestuft. Die Zeit des billigen Geldes an den Kapitalmärkten wird irgendwann vorbei sein. Darauf müssen Unternehmen vorbereitet sein und deshalb ist eine gute Bewertung wichtig. Wir haben zuletzt Geschäftseinheiten verkauft, die nicht zum Kerngeschäft der neuen TUI gehören: Die Bettenbank Hotelbeds und die Spezialanbieter unter dem Dach von Travelopia. Wir haben angekündigt die Erlöse für Investitionen in unser Kerngeschäft und zur weiteren Stärkung unserer Bilanz einzusetzen. Das werden wir tun.
Können Sie unseren Lesern erläutern, wo genau die Vorteile für die Aktionäre darin liegen, dass TUI ein zunehmend vertikal integrierter Konzern wird?
Die mit der Übernahme der TUI Travel 2014 eingeleitete Strategie hat unser Geschäftsmodell verändert. Heute bedienen wir die gesamte touristische Wertschöpfungskette, von der Beratung und Verkauf, über den Flug, Hotels und Schiffe. Alles aus einer Hand. Und mit starkem Fokus auf Investitionen in Hotels und Kreuzfahrtschiffe, also eigene Produkte, die uns im Markt differenzieren. Wir waren früher im Kern ein Reiseveranstalter - ein sehr saisonales Geschäft mit den niedrigen Margen des Händlers. Heute sind wir als integrierter Touristikkonzern wesentlich robuster. Wir haben unsere eigenen Hotelgesellschaften ausgebaut. Unsere Reiseveranstalter sind sehr starke Vertriebsarme für diese Geschäfte. Die Reiseveranstalter, Reisebüros, der Onlinevertrieb sind unser Rückgrad, die Tür zum Kunden - jeder Baustein in dieser Kette ist wichtig für den Erfolg des Ganzen.
Sie wollen bis Ende 2018/19 knapp 40 bis 45 weitere Hotels eröffnen. Sind hierbei auch weitere der beliebten Magic-Life-Club-Hotels beziehungsweise Robinson Clubs angedacht?
Ein klares Ja. RIU, Robinson, Magic Life und die neue Designmarke TUIBlue sind der Kern unserer weltweiten Hotelstrategie - hier investieren wir. Wir haben gerade neue Robinson Clubs auf den Malediven und in Thailand angekündigt, ein neues RIU ist auf Sri Lanka eröffnet. Sie zahlen auf "TUI 2022" ein, denn hier werden wir auch Gäste aus diesen Regionen willkommen heißen. Das sichert die Auslastung, bringt Wachstum und unterstreicht unser Versprechen an die Kapitalmärkte: wenn wir investieren, dann stehen wir für profitables Wachstum. Jede Neuinvestition muss eine Kapitalverzinsung von durchschnittlich mindestens 15 Prozent erreichen. Diese Investitionsdisziplin steht für die neue TUI und ist im Sinne des Unternehmens und der Aktionäre.
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