Die USA haben die von Präsident Donald Trump angekündigte Erhöhung von Sonderzöllen für Einfuhren aus China inzwischen offiziell gemacht. Die Reaktion an den Börsen ist nicht zu übersehen: DAX und Dow Jones verlieren massiv an Wert. DER AKTIONÄR sprach mit Börsenexperte Robert Halver über den Handelsstreit.
DER AKTIONÄR: Donald Trump setzt offensichtlich eine Einigung aufs Spiel. Was sind seine nächsten Schritte?
ROBERT HALVER: Trotz Trumps herzhaften Entgleisungen in Handelsfragen, die China moralisch durchaus aufwerten, sollte man nicht mit zweierlei Maß messen und Peking als Handels-Heiligen darstellen. Hinter diplomatischer Rhetorik, die an feinstes chinesisches Porzellan erinnert, steckt ein Egoist, der wie Amerika wirtschafts- und handelspolitisch auch nur an einen denkt: an sich. In Abhängigkeit führende Handelspraktiken, üppigste Subventionierung selbst der marodesten Staatsunternehmen, Wissen und Innovationen preiszugeben. künstliche Schwächung der Währung Yuan zur Exportförderung und Eroberungsfeldzüge in westlichen Industriekulturen ohne umgekehrt dem westlichen Aufruf 'Die Handels-Mauer muss weg' Folge zu leisten, zeigen das zweite Gesicht des süßen Pandabären.
Trump will mit seinem neuerlichen Handelsprotektionismus Druck aufbauen, damit es zu einem wirklichen Handelsabschluss kommt, der ihm in Amerika nicht auf die Füße fällt. Er will den großen Wurf. Ein gewaltiger Knackpunkt bei der Einigung auf eine friedliche Handels-Koexistenz ist der Schutz des geistigen Eigentums. Konkret geht es den Amerikaner darum, wie man den Chinesen den Klau von Technik-Know-how und Patenten nachweisen können, der z. B. im hintersten Teil Chinas klammheimlich und unbemerkt stattfindet. In diesem Fall ist es unmöglich, Schadensersatzansprüche zu stellen. Was fehlt ist der neutrale Schiedsrichter. Zwar gibt es die Welthandelsorganisation, die aber weder von Washington noch von Peking wirklich akzeptiert wird. Daher kann sie nur mit Wattebällchen werfen, aber einen Handelsstreit nicht sanktionsdurchsetzungsstark schlichten. Hier muss Trump auf eine Lösung pochen, sonst ist jeder Handelsabschluss Makulatur.
Sein Spiel ist nicht ohne Risiko. In China ist Gesichtswahrung kulturell aber mindestens so stark verankert wie beim Häuptling im Weißen Haus. Als junge Großmacht will man sich nicht als Weichei darstellen und insofern mit Gegenzöllen reagieren oder im Extremfall sogar die Handelsgespräche scheitern lassen. Und Amerika? Die Farmer im Mittleren Westen werden nicht begeistert sein, wenn der von ihnen mehrheitlich gewählte US-Präsident Trump Exportbeschränkungen von Mais, Weizen und Sojabohnen nach China oder sogar Einfuhrverboten zu verantworten hat. Zudem ist ein schwacher US-Aktienmarkt, dessen Exportwerte durch handelsseitige Weltkonjunkturabkühlung mit Umsatz- und Gewinneinbußen, aber auch dem Zusammenbruch effizienter Lieferketten aus Asien heimgesucht werden, kein Ruhmesblatt für regierende Präsidenten. Amerikanische Pensionsfonds sind im Gegensatz zu denen in Deutschland prall mit Aktien gefüllt. So kann jeder Amerikaner sich jeden Tag je nach Aktienlage ein Bild von seiner Vermögensposition und Altersvorsorge machen. Kaum einem Präsidenten ist die Wiederwahl geglückt, wenn die Aktienkurse in den Seilen hängen. Übrigens, auch Chinesen sind verrückt nach Aktien.
Gleiches gilt für die Chinesen: Kann Peking sich ein Scheitern der Verhandlungen leisten?
Bereits der US-Protektionismus saugt China als Außenhandelsweltmeister Export-Blut ab. Und handelsseitige Folgeschäden auf das Weltwirtschaftsklima führen sogar zur Blutarmut. Dagegen kann eine nicht reibungsfreie chinesische Binnenkonjunktur ebenso wenig anstinken wie die Seidenstraße, die zwar geplant, aber noch lange nicht zu Ende gepflastert ist. Im Übrigen sind unzählige Staatsunternehmen dramatisch überschuldet. Was im Westen ohnehin gerne verkannt wird, sind chinesischer Gelbwesten in Form unzähliger Wanderarbeiter, die bei Wirtschaftsschwäche und Arbeitslosigkeit nicht die Nettigkeit auf den Straßen zeigen werden, die Musikliebhaber aus der Operette 'Das Land des Lächelns' von Franz Lehár kennen. China ist nicht so stark wie man gemeinhin denkt.
Sollte der GAU eintreten: Stehen wir im DAX dann wieder bei 10.300?
Sollte der Rinderwahnsinn auf beiden Seiten zuschlagen, hat der DAX ein Problem. Als Exportnation spüren wir die Kollateralschäden eines nachhaltigen Handelskriegs besonders stark. Weltweite wirtschaftliche Verunsicherung bremst bei Unternehmen die Lust, zu investieren, in Deutschland Ausrüstungsgüter zu bestellen. Hühner, die keine Ruhe finden, legen eben keine Eier. Ein nachhaltiger Handelskrieg könnte China zudem veranlassen, seine nicht mehr in Amerika absetzbaren Güter bei uns zu unschlagbar günstigen Dumping-Preisen zum Schaden unserer Industrie abzuladen.
Doch würde in diesem Fall der Geldpolitik noch mehr die Motivation fehlen restriktiv zu werden. Im Gegenteil, das Motto der EZB wäre dann: Let it flow!