Die Aussichten für den Industriekonzern Thyssenkrupp haben sich zwar insgesamt aufgehellt. Trotzdem stellen sich viele Analysten darauf ein, dass der größte deutsche Stahlhersteller am morgigen Dienstag (10. Mai) bei der Vorlage der Zwischenbilanz seine Prognose für das Ende September auslaufende Geschäftsjahr senkt. Die Aktie verliert heute gegen den Trend deutlich an Boden.
Derzeit kalkuliert der Thyssenkrupp-Vorstand auf vergleichbarer Basis - also etwa um Wechselkurseffekte bereinigt - mit einem stabilen Umsatz. Der operative Gewinn (bereinigtes Ebit) soll bei 1,6 bis 1,9 Milliarden Euro landen und der Überschuss deutlich zulegen. Im vergangenen Jahr hatte der Konzern operativ 1,7 Milliarden Euro bei einem Umsatz von 42,8 Milliarden Euro verdient. Unter dem Strich war der Überschuss um fast 50 Prozent auf 309 Millionen Euro gewachsen. Vor drei Monaten hatte das Management den Ausblick bereits unter Vorbehalt gestellt, obwohl sich da schon die Erholung der Stahlpreise andeutete.
Die Hälfte des Geschäftsjahres ist nach Einschätzung vieler Analysten zu schlecht gelaufen, um den Rückstand noch aufholen zu können. Sie rechnen mit einem Umsatzrückgang von fast sechs Prozent auf 19,8 Milliarden Euro in den ersten sechs Monaten. Der operative Gewinn dürfte um mehr als ein Viertel auf 525 Millionen Euro eingebrochen sein. Das Ergebnis würde ohne die laufenden Kostenprogramme, die in diesem Jahr weitere 850 Millionen Euro einsparen sollen, noch schlechter aussehen.
Unter dem Strich erwarten die Experten einen Rückgang von gut 40 Prozent auf knapp 60 Millionen Euro. Zumindest dürfte sich der Konzern damit wieder in die schwarzen Zahlen gearbeitet haben, nachdem im ersten Quartal noch ein Verlust von 23 Millionen Euro angefallen war. Dieser Wert schwankt allerdings häufig wegen von außen kaum zu berechnender Steuereffekte.
Massiv gestiegene Einfuhren von Billigstahl aus China hatten seit dem vergangenen Sommer die Stahlpreise in Europa fast kollabieren lassen. Angesichts wieder besserer Aussichten für die chinesische Wirtschaft hatten sich die Preise dort zuletzt aber wieder deutlich erholt. Das wirkt sich auf den gesamten Weltmarkt aus. Doch bis das auch in der Bilanz von Thyssenkrupp ankommt, wird es etwas dauern. Analysten hoffen daher vor allem auf optimistischere Aussagen für die zweite Hälfte des Kalenderjahres.
Die schwierige Lage beim Stahl konnten die Industriegütergeschäfte von Thyssenkrupp zuletzt auch nicht mehr vollständig wettmachen. Zwar lief das Geschäft mit Aufzügen und Autokomponenten weiter rund. Allerdings machte der schwache Auftragseingang im Großanlagenbau Sorgen.
Die Aktie von ThyssenKrupp konsolidiert derzeit die jüngste Kursrallye, die den Titel zuletzt sogar bis an die 22-Euro-Marke geführt hatte. Die Aktie hat seit Anfang Februar mehr als ein Drittel an Wert gewonnen und stellt damit alle anderen Titel im DAX in den Schatten. Heute zählt der Wert zu den größten Verlierern im DAX und ist dabei auch unter den Stopp bei 18,50 Euro gerutscht. Anleger sollten von einem Neueinstieg absehen, zumal nach dem nicht erhaltenen U-Boot-Auftrag aus Australien auch noch weitere Abschreiben auf das Brasilien-Geschäft drohen. Möglichwerweise bietet sich morgen nach den Zahlen ein Neueinstieg auf tieferen Niveau an.
(Mit Material von dpa-AFX)