Tesla ist der Konkurrenz in Sachen Elektromobilität, Software und autonomes Fahren weit voraus. Wo aber liegt der entscheidende Vorteil von Elon Musk und seinem Team? DER AKTIONÄR sprach mit Dr. Mario Herger über die Alleinstellungsmerkmale von Tesla.
Dr. Mario Herger lebt seit 2001 im Silicon Valley. Er forscht nach Technologietrends, schreibt Bücher und berät Unternehmen zu Themen wie Innovation, Silicon Valley Mindset, Automotive und Künstliche Intelligenz.
DER AKTIONÄR: Herr Herger, in Kalifornien steuern zig selbst fahrende Autos durch die Gegend. Sogar Robo-Autos sammeln schon fleißig Kilometer. Und viele Experten, unter anderem hier in Deutschland, sind noch immer der Meinung, dass diese Trends bei uns erst in zehn oder 20 Jahren sichtbar sein werden…
Dr. Marion Herger: Nein, es ist bereits jetzt Realität. Im Silicon Valley gibt es derzeit 66 Unternehmen, die eine Lizenz für das Testen von autonomen Fahren auf öffentlichen Straßen haben. Rund 800 Autos dieser Anbieter spulen täglich hunderte von Meilen ab und sammeln Daten.
Waymo zum Beispiel hat bereits seit dem 8. Oktober eine ganze Flotte selbst fahrender Autos in Phoenix im kommerziellen Robotaxi- Dienst unterwegs, und zwar komplett fahrerlos, also ohne Fahrer an Bord.
Sie stellen immer wieder Tesla heraus. Was macht Tesla anders, beziehungsweise besser als die Konkurrenz?
Die 1,2 Millionen Autos, die Tesla bislang gebaut hat und weltweit auf den Straßen unterwegs sind fast alle mit dem Hardware Kit 2.0 ausgestattet, das acht Kameras inkludiert, die einen rund um Blick um das Auto ermöglichen, dazu 2 Chips für künstlicher Intelligenz, die von Tesla selbst produziert werden, Ultraschall- und Radarsensoren und die Möglichkeit die Software per Over-the-Air upzudaten.
Natürlich wird jemand sagen der sehr autoaffin ist, dass die Verarbeitung von Tesla sicherlich nicht unbedingt dem Standard entspricht, den wir gewohnt sind, also nicht mit der Qualität der deutschen Hersteller vergleichbar ist.
Wo liegt also der entscheidende Unterschied?
Was viele noch nicht verstanden haben ist die Tatsache, dass Tesla zum Beispiel alle zwei bis drei Wochen über Nacht ein neues Software-Update macht und OTA- Over-the-Air - aufspielt.
Heißt: das Auto kann nach dem Update mehr als vorher, die Software wurde verbessert, das Auto hat, wenn man so will dazu gelernt.
Das ist ein Vorteil, den viele andere Hersteller lange nicht verstanden haben. Vergleichen wir es mit den deutschen Herstellern: Kaum hat man das Auto gekauft und ist vom Parkplatz runtergefahren, ist es auch schon in paar tausend Euro weniger wert.
Was ist der neueste Clou bei Tesla?
Vor kurzem kam die Beta-Version des neuen Autopiloten. Damit fährt das Auto von alleine.
Bei einem Börsenwert von über 600 Milliarden Dollar muss man sich als Anleger aber schon gut überlegen, ob man zu diesem Preis noch bereit ist, die Tesla-Aktie zu kaufen…
Es ist wie ein Schachspiel, in dem die Tesla seine Figuren langsam positioniert. Zum Schluss sind auf einmal die Gegner, in diesem Fall also die anderen Auto-Hersteller Schachmatt.
Das bedeutet?
Durch die Software sowie neue Updates sind in der Zukunft ganz neue Erlösmöglichkeiten gegeben. Tesla hat bislang zwar noch keinen App-Stores, aber sobald das passiert, kann es durchaus sein, dass auf einmal tausende Entwickler Apps dafür bauen wollen. Tesla kann also Apps verkaufen. Die können 99 Cent, 50 Dollar oder gar 100 Dollar und mehr kosten.
Sobald das Auto selbst fahren kann, besteht die Möglichkeit von Tesla in Zukunft als Roboter-Taxi eingesetzt zu werden. Musk hat schon früher gesagt, dass ab 2021 eine eigene Roboter-Taxi-Flotte aufgebaut werden soll.
Für mich bedeutet das als Tesla-Besitzer: Ich könnte rein theoretisch mein Auto in die Tesla-Robotertaxi-Flotte schicken, so dass das Auto für mich Geld verdient, während ich auf der Arbeit bin.
Dadurch, dass Tesla auf meine Daten zugreifen kann, weiß man genau, wie, wann und wo das Auto gefahren wird. Dadurch kann Tesla zum Beispiel maßgeschneiderte Lösungen, wie zum Beispiel Versicherungen anbieten, die günstiger sind, weil ich beispielsweise weniger aggressiv fahre oder mehr den sicheren Autopiloten verwenden. Andere Hersteller aber auch Versicherungsanbieter können das gar nicht, weil sie nicht an diese Daten herankommen.
Auch die Batterien bieten in Zukunft noch ganz andere Möglichkeiten. Die Batterien selber haben eine Lebensdauer von vielleicht 500.000 Meilen. Im Anschluss können diese sogar als Stromspeicher benutzt werden.
Nochmal: Tesla bringt seine Schachfiguren in Stellung. Sei es durch seine Elektroautos, Software, Solarzellen oder seine riesigen Stromspeicher.
Kurzum: Elon Musk hat in Zukunft unzählige Möglichkeiten, Geld zu machen.
Werden es die deutschen Hersteller denn ihrer Meinung nach überhaupt schaffen den Swing Richtung E-auto und Software hin zu bekommen?
Die deutschen Hersteller sind in den verschiedenen Bereichen weit hinterher. Ich würde den Rückstand beim autonomen Fahren auf rund 5 bis 7 Jahre beziffern, bei Elektroautos zwischen drei und fünf Jahren.
Egal welche Industriezweige man in der Vergangenheit betrachtet hat. Wenn die Disruption beginnt, waren nach zehn Jahren rund 90 Prozent der vorherigen Player nicht mehr da.
Manche gingen Pleite, andere wurden aufgekauft, manche zogen sich aus dem Geschäftsfeld zurück.
Vergleichen wir das Ganze doch mal mit dem Handymarkt. Bevor das iPhone auf den Markt kam, war Nokia der Platzhirsch. Dazu andere Anbieter wie Samsung oder Blackberry. Wer ist heute noch da und hat einen signifikanten Marktanteil?
Ich sehe nur noch Samsung. Umgemünzt auf die deutschen Hersteller würde das vielleicht bedeuten, dass nur noch Volkswagen übrigbleibt.
Warum VW?
Man merkt wie schwer sich die deutschen Hersteller tun. Volkswagen hat als einziger Hersteller diesen radikalen Schritt gemacht und eine eigene Elektroplattform aufgebaut.
Bei Daimler und BMW ist das nicht so. Da hat man diesen radikalen Schritt noch nicht gewagt. Und das obwohl BMW recht frühzeitig den i3 auf den Markt gebracht hat. Ein super Auto mit wahnsinnig vielen Innovationen. Leider wurde das Auto von Anfang an Stiefmütterlich behandelt.
Ist noch Zeit zum Handeln für die deutschen Hersteller?
Wir haben jetzt den ersten Tipping Point erreicht. Das heißt, wir haben bei den Erstzulassungen in Deutschland im Oktober bei den Elektroautos im Vergleich zum Vorjahr. Der Anteil der lag bei 8 Prozent, eine Steigerung von 365%
Mit dieser Wachstumssrate, die eine Verdoppelung der Neuzulassung bei Elektroautos alle 12 Monate sieht, werden um 2023 mehr als die Hälfte aller Neuzulassungen in Deutschland Elektroautos sein.
Der zweite Tipping Point wird das autonome Fahren sein. Das haben die deutschen Hersteller meiner Ansicht nach noch gar nicht richtig verstanden.
FAZIT: Tesla ist der Konkurrenz weit voraus. Die Tesla-Aktie ist nach dem steilen Anstieg aber massiv überhitzt und ein 21er-KGV von 180 spricht für sich. Etwas Abkühlung sollte nicht schaden. Ohnehin sollte nach der Aufnähme in den S&P 500 die Luft vorerst raus sein.
Die Fantasie aus Fertigungstiefe, Innovationskraft und die Elektroauto-Marktführerschaft sind wohl eingepreist Eine horizontale Unterstützung liegt bei 565 Dollar. Investierte und Neueinsteiger warten ab. Stopp auf 450 Dollar nachziehen.