Frisches Blut für den Prime Standard: Seit dem Börsengang im Februar 2018 ist bei Stemmer Imaging einiges passiert. Nach mehreren Akquisitionen ist der Spezialist für industrielle Bildverarbeitung („Machine Vision“) mit Wirkung zum 10. Mai vom Freiverkehrssegment Scale in den Prime Standard des Regulierten Marktes gewechselt.
DER AKTIONÄR fragte nach beim Vorstandsvorsitzenden Arne Dehn und Finanzvorstand Lars Böhrnsen.
DER AKTIONÄR: Herr Dehn, Sie haben mit der Stemmer Imaging-Aktie den Wechsel der Notiz vom Freiverkehrssegment Scale in den Prime Standard in die Wege geleitet. Seit heute notiert die Aktie erstmals im Regulierten Markt. Was versprechen Sie sich vom Segmentwechsel?
Arne Dehn: Wir möchten vor allem der gestiegenen Aufmerksamkeit für die Stemmer Imaging AG Rechnung tragen. Seit unserem Börsengang im Februar 2018 bis zum heutigen Tag sind wir robust gewachsen und bewegen uns als Spezialist für industrielle Bildverarbeitung in einem Zukunftsmarkt. Es ist an der Zeit, dass unsere Aktie diesen Schritt sozusagen nachvollzieht. Wir möchten durch die höheren Anforderungen des Regulierten Marktes unseren Investoren und Aktionären ein noch umfassenderes Bild unseres Unternehmens geben und so einen noch transparenteren Dialog ermöglichen.
Mit dem Wechsel sind auch Kosten und die Bindung von personellen Kapazitäten im Unternehmen verbunden, unter anderem aufgrund der höheren Transparenzpflichten. Inwiefern steht dieser zusätzliche Aufwand in einem Verhältnis zum möglichen Ertrag?
Lars Böhrnsen: Wir sehen klar die Vorteile des Segmentwechsels. Viele Investoren sind eingeschränkt, was ein Investment in Freiverkehrswerte angeht. Durch die Aufnahme in den Regulierten Markt und den Prime Standard der Frankfurter Wertpapierbörse öffnen wir uns also umgehend einem deutlich größeren Investorenkreis. Gleichzeitig ist die Medienaufmerksamkeit für dieses Segment höher. Der Prime Standard öffnet uns damit Türen, die uns im Freiverkehr noch verschlossen waren. Insgesamt stehen für uns Aufwand und Ertrag in einem sehr guten Verhältnis und die Stemmer Imaging-Aktie tritt noch stärker ins Scheinwerferlicht des Kapitalmarktes.
Außerplanmäßige Kosten spielten bereits zum Halbjahr 2018/19 für Stemmer Imaging eine Rolle. So haben Sie einerseits auf die International Financial Reporting Standards (IFRS) umgestellt, andererseits fielen Integrationskosten für die französische Tochtergesellschaft ELVITEC an. Wie ist der Stand bei der Integration? Können Sie für das zweite Halbjahr eine Margenverbesserung in Aussicht stellen?
Lars Böhrnsen: Die Integration von ELVITEC haben wir planmäßig umgesetzt und konnten sie bereits im ersten Halbjahr unseres Geschäftsjahres 2018/19 erfolgreich abschließen. Das ist eine großartige Teamleistung vor dem Hintergrund, dass wir die Gesellschaft im Juli 2018 übernommen haben. Häufig wird vergessen, dass es nach Übernahmen Zeit braucht, Doppelstrukturen abzubauen und Synergien beispielsweise durch Einkaufsvorteile zu heben. Wir sind hinsichtlich des gesamten Prozesses im Plan und sehr zufrieden. Dies wird sich auch positiv auf unser Zahlenwerk auswirken.
Lars Böhrnsen: Für das zweite Halbjahr 2018/19 haben wir nach den angesprochenen Belastungen in den ersten beiden Quartalen eine Rückkehr zum Ergebniswachstum in Aussicht gestellt. Daran halten wir fest. Es werden keine weiteren Integrationskosten für ELVITEC anfallen, zudem peilen wir eine Erhöhung der Profitabilität auf Basis einer steigenden Rohmarge an. Auf Basis der aktuellen Auftragseingänge blicken wir zuversichtlich auf das Gesamtjahr.
Das Umfeld wird herausfordernder, Wirtschaftsforschungsinstitute haben ihre Prognosen für das laufende Jahr größtenteils kassiert. Wie bewerten Sie das aktuelle Marktumfeld?
Lars Böhrnsen: Zwar hat sich das Makroumfeld eingetrübt, doch die Aussichten für die Branche der industriellen Bildverarbeitung sind nach wie vor positiv. Mit 2,6 Milliarden Euro konnte die Gesamtbranche einen neuen Umsatzrekord im Jahr 2017 aufstellen und auf dem Niveau halten. Für die breiter gefasste Branche Robotik und Automation rechnet der VDMA mit einem Überschreiten der 15-Milliarden-Euro-Umsatzmarke im Jahr 2018 für das laufende Jahr 2019 mit weiterem Wachstum bis zu fünf Prozent.
Anwendungen industrieller Bildverarbeiter gelten im Rahmen von Industrie-4.0- und Smart-Factory-Anwendungen als Schlüsseltechnologie, oder?
Lars Böhrnsen: Richtig, Kameras und die zugehörige Software kommen in zahlreichen Anwendungsbereichen zum Einsatz. Hierzu zählt unter anderem die Gesundheitsbranche, die Lebensmittelproduktion, der Entertainmentsektor oder die Telematik. Übrigens wird unsere Software-Bibliothek Common Vision Blox (CVB) weltweit bereits in mehr als 80.000 Installationen in unterschiedlichsten Anwendungen eingesetzt.
Seit dem 1. Januar 2019 gehören Sie dem Vorstand der Stemmer Imaging AG an, am 1. März haben Sie den Vorstandsvorsitz übernommen. Wie fällt Ihr Zwischenfazit aus?
Arne Dehn: Durchweg positiv. Ich habe bei Stemmer Imaging absolut professionelle Strukturen vorgefunden. Ich sehe das Unternehmen auf einem sehr guten Weg, weiterhin dynamisch, nachhaltig und auch profitabel zu wachsen, organisch wie auch anorganisch durch Übernahmen. Wir sind produktseitig und regional in einem absoluten Zukunftsmarkt sehr gut positioniert und verfügen über ausreichende Mittel, um auf jedwede Marktsituation flexibel reagieren zu können. Auch hinsichtlich von Akquisitionen können wir sich uns bietende Chancen nutzen. Das sind beste Voraussetzungen für die vor uns liegenden Aufgaben.
Sie sprechen Übernahmen an. In dieser Hinsicht ist es im Kalenderjahr 2019 etwas ruhiger um Stemmer Imaging geworden. Sehen Sie sich aktuell nach Zielen um?
Arne Dehn: Wir haben klar kommuniziert, dass wir auch durch Übernahmen wachsen wollen. Daher beobachten wir natürlich auch intensiv und sorgfältig den Markt. Das aktuelle Umfeld bietet weiterhin attraktive Chancen. Übereilte Entscheidungen und Aktionismus wird es bei uns allerdings nicht geben. Wir haben gegenüber unseren Mitarbeitern und Investoren eine hohe Verantwortung. Dieser wollen wir natürlich gerecht werden.
Die aktuellste Transaktion war der Softwareanbieter Perception Park im Oktober 2018. Wie sieht Ihre weitere M&A-Strategie aus?
Arne Dehn: Grundsätzlich ist es so, dass wir uns lieber nach ein bis zwei großen Zielen umsehen, als mehrere kleine Unternehmen ins Visier zu nehmen. Dabei sieht unsere Akquisitionsstrategie einen zweigeteilten Ansatz vor. Einerseits suchen wir weiterhin nach regionaler Expansion, andererseits sind Technologie-Unternehmen für uns interessant. In diese Logik passt eben auch die österreichische Perception Park, die mit der sogenannten Hyperspectral-Imaging-Technologie (HSI) in einem Zukunftsmarkt unterwegs ist. Hyperspektraldaten werden mittels HSI auf molekularer Ebene für die industrielle Bildverarbeitung nutzbar gemacht. Das eröffnet neue Möglichkeiten und neue Anwenderbranchen wie den Bergbau oder den Recycling-Sektor. Wir sehen in diesem Bereich sehr großes Potenzial.
Was möchten Sie denn mittelfristig mit Stemmer Imaging erreichen? Konkret: Wo sehen Sie das Unternehmen in fünf Jahren?
Arne Dehn: Wir möchten natürlich weiterhin ein kompetenter Ansprechpartner für unsere Kunden sein und nachhaltig wachsen. Dabei wollen wir den riesigen Umwälzungsprozess, den die Digitalisierung und die vierte industrielle Revolution in Gang gesetzt hat, nicht nur begleiten, sondern mit hohem eigenen Mehrwert unseren Zielmarkt mitgestalten. Unsere heutige Position ist uns hierfür eine hervorragende Basis. Die langfristigen Trends im Bereich industrieller Bildverarbeitung sind positiv und intakt. Davon werden wir als Stemmer Imaging AG auch künftig profitieren.
AKTIONÄR-Fazit: Die Aussichten für die "Machine Vision"-Branche sind nach wie vor positiv. Der Vorstand hat seine Hausaufgaben gemacht, hat aber auch noch einiges zu tun. Stellen sich die erhofften operativen Erfolge ein und gelingt dem Duo zudem noch eine passende Übermahme, dann dürfte die Aktie ihre Tiefststände nachhaltig hinter sich lassen.