Die Deutsche Effecten- und Wechsel-Beteiligungsgesellschaft AG (DEWB) hat in den vergangenen 20 Jahren mehr als 390 Millionen Euro in 65 Unternehmen investiert und bei 50 Exits, darunter neun Börsengängen, mehr als 500 Millionen Euro realisiert. Der Vorstand agiert am Puls der Zeit. Das Beteiligungsportfolio soll bis Ende 2024 auf einen Wert von 100 Millionen Euro ausgebaut werden. Im angeschlagenen Marktumfeld ist die Aktie zuletzt dennoch deutlich zurückgefallen.
DER AKTIONÄR sprach mit den DEWB-Vorständen Bertram Köhler (CEO) und Marco Scheidler (CFO) über Themen wie die Digitalisierung in der Finanzbranche, die Ziele mit der künftigen LAIQON AG und das Neobrokerage in volatilen Märkten.
DER AKTIONÄR: Herr Köhler, Ihr Beteiligungsfokus liegt auf Unternehmen, „deren Technologien und Geschäftsmodelle die künftige Entwicklung der Finanzbranche maßgeblich mitgestalten“. Wie setzt sich das DEWB-Portfolio aktuell zusammen?
Bertram Köhler: Unser Portfolio besteht derzeit aus sieben Beteiligungen, die mit ihrem Geschäftsmodell auf die Digitalisierung setzen und jedes für sich in einem sehr aussichtsreichen Wachstumsfeld aktiv ist. Kernbeteiligung, mit dem größten wertmäßigen Anteil am Portfolio, ist die Lloyd Fonds AG, ein innovativer Asset Manager, der nachhaltige und digitale Investmentlösungen für alle Gruppen von Anlegern und Investoren anbietet.
Wer ist noch dabei?
Köhler: Zweitgrößte Beteiligung, gemessen am aktuellen Wert, ist die Stableton Financial AG, ein Schweizer FinTech-Unternehmen. Weiterhin zählen zu unserem Portfolio der B2B-Finanzierungsdienstleister aifinyo AG, die Neobroker nextmarkets AG und The NAGA Group AG, das WealthTech LAIC Capital GmbH und das Blockchain-Softwarehaus CASHLINK Technologies GmbH.
Warum haben Sie gerade Lloyd Fonds AG, die ab 2023 unter LAIQON AG firmieren wird, als Kernbeteiligung gewählt?
Köhler: Im Mittelpunkt unserer strategischen Neuausrichtung 2018 stand die Beteiligung an einem Asset Manager, der fokussiert auf die umfassende Digitalisierung seines Geschäfts künftig besonders von der sich abzeichnenden Transformation im Markt profitieren wird. Bei der damaligen Sondierung des Marktes ergab sich die Möglichkeit, gemeinsam mit unseren Ankerinvestoren aus der SPSW-Gruppe, die Mehrheit an der Lloyd Fonds AG zu erwerben und diese, bis dahin etabliert als Emissionshaus für geschlossene Fonds, neu auszurichten. Das aus der Historie bestehende Altgeschäft bot dabei einen wichtigen Finanzierungsbaustein für den erfolgreichen Umbau der vergangenen Jahre.
Welche Ziele verfolgen Sie mit der künftigen LAIQON AG?
Köhler: Mit unserem strategischen, bezogen auf die künftige LAIQON AG als Kernbeteiligung eher langfristigen Beteiligungsansatz wollen wir eine nachhaltige und stabile Einnahmebasis durch regelmäßige Ausschüttungen für die DEWB erzielen. Das Managementteam um CEO Achim Plate hat eindrucksvoll Wort gehalten und die Neuausrichtung der Gesellschaft mit Hochdruck erfolgreich vorangetrieben. Mit dem Abschluss der Komplettübernahme der BV Holding AG ist nun der nächste Schritt erfolgt, um das für 2025 angepeilte AuM-Ziel von acht bis zehn Milliarden Euro zu erreichen. An dieser Beteiligung werden wir noch sehr viel Freude haben.
Ebenfalls börsennotiert ist Ihre Beteiligung aifinyo AG, die eine Plattform rund um Rechnungs- und Liquiditätsmanagement inklusive Finanzierungslösungen anbietet. Wie hat sich aifinyo für das DEWB-Portfolio qualifiziert?
Köhler: Die DEWB hat sich 2016 an einem Factoring-Fintech namens Decimo beteiligt, das mit einer innovativen, hoch skalierbaren Online-Plattform Freiberuflern und Kleinunternehmen echtes Factoring für entsprechend kleinere Rechnungsvolumina erstmals wirtschaftlich anbieten konnte. Durch die Automatisierung des gesamten Abwicklungsprozesses war eine schnelle Rechnungsvorfinanzierung innerhalb weniger Stunden nach Rechnungsstellung möglich.
Wie ging es dann weiter?
Köhler: Im Zuge eines Mergers wurde die Decimo gegen Anteile im Rahmen eines Share Deals in die Elbe Finanzgruppe eingebracht, die mit dem Merger in aifinyo umbenannt wurde. Für uns war die Transaktion ein Musterbeispiel für die Kombination von „Fin“ und „Tech“. Durch konsequente Investitionen in Technologie und profitables Wachstum ist das Unternehmen heute auf dem Weg, aifinyo zur führenden Marke im B2B-Fintech-Markt aufzubauen.
Kaum bekannt ist hierzulande Ihre zweitgrößte Beteiligung Stableton. Was macht die Schweizer Gesellschaft?
Köhler: Das Schweizer FinTech betreibt einen digitalen Finanzmarktplatz für Alternative Investments, wie Private Equity, Venture Capital, Private Debt und Realvermögen. Hier bietet Stableton Anlegern einfachen Zugang zu einzigartigen Anlagemöglichkeiten erstklassiger Anbieter, die bisher nur großen institutionellen Investoren vorbehalten waren. Bei Stableton sind wir als erster institutioneller und Lead-Investor in der Seed-Phase eingestiegen und konnten in einer Finanzierungsrunde in Höhe von 15 Millionen Schweizer Franken in diesem Jahr weitere namhafte Investoren mit an Bord holen. Dabei wurde eine deutliche Bewertungserhöhung erzielt.
Wie haben sich Ihre weiteren nicht notierten Beteiligungen zuletzt entwickelt?
Köhler: Das negative Kapitalmarktumfeld ist nicht zwingend problematisch für die operative Entwicklung des Portfolios. Wir sehen, dass die digitalen Geschäftsmodelle unserer Beteiligungen deutlich krisenfester sind als andere Branchen. Bestes Beispiel ist unser Neobroker nextmarkets. Dessen Geschäfts profitiert sogar von volatilen Märkten, da dann die Handelsaktivität seiner tendenziell aktiveren Kunden deutlich höher ist als in stabilen Trendmärkten. Entsprechend konnte nextmarkets in diesem Jahr weiterwachsen.
Herr Scheidler, störend dürfte sich das negative Sentiment allerdings auf die Kapitalverfügbarkeit und somit die Finanzierung auswirken, oder?
Marco Scheidler: Das ist richtig. Um dem vorzubeugen, hat nextmarkets seinen Fokus vom aggressiven Kundenwachstum auf einen Wachstumskurs mit optimierter Kostenstruktur angepasst, die einen profitablen Betrieb und Unternehmensresilienz zulässt. Wir erwarten auch mittelfristig eher volatile Kapitalmärkte, wovon das Neobrokerage profitieren sollte.
Gibt es konkrete Synergien zwischen Ihren Beteiligungen? Wie können einzelne Beteiligungen einen Mehrwert zum Erfolg der DEWB-Gruppe liefern?
Scheidler: Absolut, Synergien gibt es und sie sind Teil unserer Investmentstrategie. Im Grunde sind wir immer auf der Suche nach innovativen Geschäftsmodellen und Technologien für Asset Management, Vermögensverwaltung und Vertrieb als arrondierende Beteiligungen für unser Kerninvestment Lloyd Fonds AG. Jede Beteiligung soll für sich alleinstehend eine Entwicklungs- und Exitperspektive haben, aber für das Gesamtportfolio einen Mehrwert schaffen. Beispielsweise ist CASHLINK prädestinierter Infrastrukturlieferant für die Investmentplattformen von Stableton und Lloyd Fonds. Stabletons Alternative-Investment-Produkte wiederum passen sehr gut in die Portfolien der Vermögensverwaltungskunden der Lloyd Fonds Gruppe.
Wo liegt der innere Wert Ihres Portfolios aktuell?
Scheidler: Zum Portfoliowert berichten wir den HGB-Wert, der maximal die Anschaffungskosten der Beteiligungen angibt, sowie auch einen marktnahen Wert, der die zwischenzeitliche Wertsteigerung der notierten Beteiligungen nach Börsenkurs sowie Bewertungsevents der nicht notierten Beteiligungen als sogenannte stille Reserve mit berücksichtigt. Mit der sehr guten Börsenentwicklung 2021 betrug die stille Reserve im Portfolio zum 31. Dezember 2021 rund 26 Millionen Euro, was einem marktnahen Wert von rund 56 Millionen Euro entsprach.
Wie sieht es aktuell es?
Scheidler: Infolge der sehr schwachen Börsenentwicklung im laufenden Geschäftsjahr ist diese stille Reserve jedoch komplett abgeschmolzen. Der marktnahe Wert entspricht damit aktuell dem HGB-Bilanzwert, der zum 30. Juni 2022 bei rund 1,23 Euro je Aktie liegt. Für die stillen Reserven sehen wir großes Erholungspotenzial, wenn sich das Kapitalmarktumfeld wieder verbessert.
Wie ist es aktuell um die finanzielle Situation der DEWB bestellt? Welche Firepower steht Ihnen für neue Engagements zur Verfügung?
Scheidler: Für den Ausbau unseres Portfolios steht uns ein Bankfinanzierungsrahmen zur Verfügung, den wir gerade von sechs auf neun Millionen Euro erweitern konnten. Zudem können wir bei Bedarf auf ein noch platzierbares Anleihevolumen von fünf Millionen Euro zurückgreifen. Insofern sind wir solide finanziert, um Beteiligungsoptionen zu nutzen.
Wie sehen Ihre mittelfristigen Ziele mit der DEWB aus?
Köhler: Im Rahmen unserer Wachstumsstrategie wollen wir das Beteiligungsportfolio bis Ende 2024 auf einen Wert von 100 Millionen Euro ausbauen. Dieses Wachstum soll in der aktuellen Struktur durch Entwicklung und Vermarktung der bestehenden sowie neuer Beteiligungen realisiert werden. Mit dieser Größe wollen wir die Marktposition der DEWB weiter stärken. Zudem steigern wir mit einer optimierten Kostenstruktur und einer durch eine höhere Anzahl von Beteiligungen verbesserten Risikodiversifikation die Rendite auf das investierte Kapital. Mit einem Portfoliowert von über 56 Millionen Euro zum Ende 2021 hatten wir bereits mehr als die Hälfte des Weges absolviert.
Doch dann drehte die Stimmung an den Märkten.
Auch wenn die zwischenzeitlichen Kursrückgänge einen Rückschritt bedeuten, sehen wir keine nachhaltige Beeinträchtigung der operativen Geschäfte. Fundamental sind wir von einem weiteren nachhaltigen Wertanstieg unserer Beteiligungen und dem Erreichen unseres Wachstumsziels überzeugt.
Keine Frage: Die Entwicklung des DEWB-Portfoliowerts hat im laufenden Jahr unter den Turbulenzen bei den Technologiewerten gelitten hat. Beim aktuellen Kurs von 0,82 Euro notiert die DEWB-Aktie weit unter dem Bilanzwert von rund 1,23 Euro. Risikobewusste Anleger mit Weitblick können bei dem Spezialwert daher auf eine Erholung setzen. DER AKTIONÄR spekuliert bei der DEWB-Beteiligung Lloyd Fonds (Anteil: 19,3 Prozent) im Real-Depot ebenfalls auf ein Comeback.
Hinweis auf Interessenkonflikte:
Der Vorstandsvorsitzende und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: DEWB.
Aktien von Lloyd Fonds befinden sich im Real-Depot von DER AKTIONÄR.