Der amerikanische Leitindex hat in den letzten Wochen zahlreiche Widerstände überwunden. Gemäß vieler Definitionen ist er damit längst in einem neuen Bullenmarkt angekommen. Nach der klassischen Beschreibung war es der kürzeste Bärenmarkt der Geschichte. Dieser Artikel gibt einen zusammenfassenden Überblick auf einige Ansätze der Technischen Analyse, um die aktuelle Situation der wichtigsten US-Börse aus vielfältiger Sichtweise zu beurteilen.
1) Märkte strotzen vor neuer Stärke
Den weiterhin großen Problemen der USA mit dem Corona-Virus zum Trotz präsentieren sich die US-Börsen in den letzten Wochen sehr stark. Der S&P500 ist bereits seit dem 8. April formal gesehen zurück in einem Bullenmarkt. Seit dem Tief hat er nunmehr 31 Prozent an Wert gewonnen und notiert nur noch 13,5 Prozent unter seinem Allzeithoch. Eine Bärenmarktrallye, die schon bald wieder in sich zusammenfällt, verliert typischerweise deutlich früher ihre Kraft. Die vorliegende „Bärenmarktrallye“ ist also in dieser Form nicht negativ zu werten. Eine auffällig positive Statistik bietet diese Konstellation allerdings auch nicht.
Fazit: neutral.
2) Die 200-Tage-Linie
Sie ist zwar nicht das effizienteste Mittel der Technischen Analyse, jedoch richten viele Anleger ihre Risikoneigung (zu Recht) an ihr aus: Die 200-Tage-Linie. Der S&P500 ist beim aktuellen Stand von 2930 Punkten bereits in Schlagdistanz (GD200: 3001 Punkte). Der Abstand beträgt noch 2,4 Prozent. Eine schnelle Überwindung wäre das nächste bullische Zeichen. Typischerweise kommt es um diese ominöse Linie aber regelmäßig zu einem besonderen Kampf der Bullen und Bären: So zuletzt auch Ende Februar, als die Bären schließlich die Oberhand behielten. Es war dennoch die längste Konsolidierung in der ansonsten steilen Abwärtsfahrt des Index.
Fazit: Neutral.
3) Der RSI: Dosierte Stärke
Der Relative-Stärke-Index zeigt (wie der Name schon sagt) die aktuelle Stärke in Relation zu seiner Vergangenheit eines Index an, gibt aber auch Hinweise auf über(ver)kaufte Situationen. Der Indikator kann auf viele interessante Weisen sinnvoll eingesetzt werden. Allerdings würde hier den Big Picture-Rahmen sprengen. Grob gesprochen sind hohe, aber nicht zu hohe RSI-Scores günstig. Der aktuelle Wert von 58 ist tendenziell bullish. Er dürfte gerne noch höher sein und ist in jedem Fall noch weit weg vom „Überkauft“-Status.
Fazit: Leicht bullish.
4) Bollinger Bänder: Mehr als zwei Linien
John Bollinger hat mit seinen Bändern ein Werkzeug erschaffen, das auch heute noch von vielen Tradern profitabel genutzt wird. Aktuell bewegt sich der S&P ziemlich genau eine Standardabweichung über seinem GD20, das heißt in nahezu idealer Position aus Sicht der Bullen: Wir befinden uns in einem kurzfristigen Aufwärtstrend, der nicht überreizt ist. Zudem hatten sich die Bänder verhältnismäßig eng zusammengezogen und gehen nun erneut auseinander: Das unterstützt die These eines fortgesetzten Aufwärtstrends nach der Konsolidierung der letzten zwei Wochen.
Fazit: Bullish.
5) Statistische Betrachtungen & Saisonalität
Ein ganz schwacher Jahresstart ist nicht unbedingt schlecht für die Sommermonate. Beispiel: Den bislang schwächsten Auftakt in seiner Geschichte erlebte der S&P500 im Jahr 1932, wo es von Januar bis April um 28 Prozent nach unten ging (2020: -14 Prozent). Bis Ende September machte er diesen Einbruch dann allerdings wieder nahezu komplett wett. Die meisten der vergleichbaren Fälle waren ähnlich gelagert (Link zur TV-Beitrag). Allerdings war ein schwacher Start in den Mai bislang eher ein Hinweis auf eine schwächere Sommersaison. Der Grund: Zu Beginn der Sommermonate positionieren sich größere Adressen offenbar schon für die kommende Zeit.
Fazit: Neutral.
Gesamtfazit: Die hier betrachteten, technischen Indikatoren geben ein neutrales bis bullishes Gesamtbild ab. Auch das Marktsentiment ist weiterhin alles andere als euphorisch. Die Vorzeichen für weiter steigende Notierungen aus technischer Sicht sind also als eher günstig einzustufen.