Nach einer von Analysten als "desaströs" und "alarmierend" bezeichneten Gewinnwarnung von Leoni haben Anleger am Freitag Reißaus genommen. Der Kurs des Autozulieferers brach am Ende um 32 Prozent auf 20,59 Euro ein. Es ist der niedrigste Stand seit 2010. Nun fragen sich Aktionäre und Marktteilnehmer, wie es mit dem SDAX-Konzern weitergeht. Wird er gar bald von der Börse verschwinden?
Mit einem vorläufigen Gewinn vor Zinsen und Steuern von nur 144 Millionen Euro blieb der Autozulieferer und Kabelspezialist 2018 weit hinter seinem eigenen Ziel von rund 196 Millionen Euro zurück. Zudem dürfte das Unternehmen die mittelfristigen Prognosen bis 2020 nicht mehr erreichen. Und schließlich wollen die Nürnberger für 2018 keine Dividende ausschütten. Kurzum: Leoni hat seine Aktionäre bitter enttäuscht, hat sie in Scharren aus dem Titel flüchten lassen. 32 Prozent Minus – für einen SDAX-Wert mit einer einst Milliarden-Marktkapitalisierung ein beschämendes Ereignis.
Das Ausmaß, in dem Leoni die Erwartungen verfehlt habe, sei "alarmierend", sagte Analyst Christian Glowa von der Bank Hauck & Aufhäuser. Es zeige, dass es dem Unternehmen ein Stück weit am Zugriff auf die eigenen Aktivitäten mangele. Später aktualisierte er seine Studie und stufte die Aktie um gleich zwei Stufen von "Buy" auf "Sell" ab. Er sprach von einem strukturellen Effizienzproblem, unter anderem wegen einer nur begrenzt automatisierten Produktion.
"Das Unternehmen hat größere Probleme als gedacht", pflichtete ihm Analyst Christian Ludwig vom Bankhaus Lampe bei. Es habe selbst die im Oktober bereits gesenkten eigenen Vorgaben in beiden Geschäftsfeldern verfehlt. Das Gewinnziel für das laufende Jahr sei ein "Desaster", es liege um bis zu 50 Prozent unter der Markterwartung. Julian Radlinger von der Bank UBS schätzte, dass die Konsenserwartung für den operativen Gewinn 2019 nun um 37 bis 51 Prozent drastisch gesenkt werden dürfte.
Vor gut einem Jahr hatte die Leoni-Aktie bei gut 66 Euro ein Rekordhoch erreicht. Danach ging es kontinuierlich bergab, belastet von immer neuen Hiobsbotschaften. Mitte des Jahres begann die Schwäche auf dem wichtigen Absatzmarkt China auf die Kurse der gesamten Branche zu drücken. Im Juni schockten Gewinnwarnungen von Daimler und dem Zulieferer Schaeffler die Anleger.
Im August hatte Leoni Investitionen in zusätzliches Wachstum angekündigt, woraufhin der Kurs absackte. Im Oktober kappte das Unternehmen nach Umsatz- und Gewinnwarnungen zahlreicher Autohersteller und Zulieferer ebenfalls die Ziele, was die Aktie erneut belastete. Im November gab schließlich der neue Chef Aldo Kamper einen düsteren Ausblick auf 2019. Im Dezember fiel der Kurs erstmals seit mehr als zwei Jahren unter die Marke von 25 Euro. Jetzt folgte also der Sell-off und der Sturz auf fast 20 Euro.
Binnen zwölf Monaten hat sich das Papier nun schon gedrittelt. Damit wurden fast 1,5 Milliarden Euro Börsenwert vernichtet.
AKTIONÄR-Redakteur Jochen Kauper lässt in seinem Artikel Fusionsgedanken wieder aufleben. Vor einiger Zeit hatte der indische Wettbewerber Motherson Sumi angeklopft. Wird das Vorhaben nun wieder aktuell? Sofern der Markt den Gedanken aufgreift, könnte es die arg gebeutelte Aktie zumindest ein wenig stützen.
Mit Material von dpa-AFX
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