Das Börsenjahr 2018 ist eines zum Vergessen. Nach sechs Jahren mit steigenden Kursen – der längsten Gewinnserie seit den 1980er-Jahren – macht der DAX in diesem Jahr ein kräftiges Minus. Während die Aktien nur fielen, konnten Trader mit Hebelprodukten an den fallenden Kursen mitverdienen.
DER AKTIONÄR stellt vor diesem Hintergrund noch einmal die wichtigsten Gattungen an Hebelprodukten vor. Ferner gibt es einen Leitfaden für ein sinnvolles Risikomanagement bei Turbo-Optionsscheinen. Zum Abschluss erfahren Sie, in welchen Phasen welches Hebelprodukt am besten geeignet ist. Heute geht es um die Optionsscheine.
Der Klassiker
Optionsscheine sind zwar das älteste Produkt an den Finanzmärkten, erfreuen sich aber nach wie vor großer Beliebtheit. Wer sich auskennt, kann die spezifischen Eigenschaften im richtigen Moment zu seinem Vorteil nutzen. Doch Basispreis, begrenzte Laufzeit und implizite Volatilität werfen auch immer wieder Fragen auf.
Komplizierte Bewertung
Während die Preisbildung bei einem Knock-out-Produkt sehr transparent ist, ist sie beim Optionsschein für Anleger häufig schwer nachvollziehbar. Das Problem: Es spielen viele Einflussfaktoren eine Rolle. Grundsätzlich besteht der Preis eines Optionsscheins aus dem inneren Wert und dem Zeitwert. Der innere Wert ist leicht zu berechnen: Er ergibt sich aus der Differenz zwischen dem aktuellen Kurs des Basiswerts und dem Basispreis. Notiert der Basiswert unter (Call) beziehungsweise über (Put) dem Basispreis, hat der Schein entsprechend keinen inneren Wert – er liegt "aus dem Geld".
Deutlich komplizierter wird es beim Zeitwert. Dieser wird durch die Restlaufzeit und die implizite Volatilität bestimmt und ist umso höher, je größer die Wahrscheinlichkeit ist, dass der Basiswert zum Laufzeitende über (Call) beziehungsweise unter (Put) dem Strike notiert. Da ein Optionsschein bei Fälligkeit stets nur aus dem inneren Wert besteht, baut sich der Zeitwert bis dahin auf null ab. Vor allem in den letzten drei Monaten der Laufzeit beschleunigt sich dieser Abbau enorm.
Volatilität entscheidet
Der Begriff implizite Volatilität spielt bei Optionsscheinen eine tragende Rolle. Dennoch können sich viele Anleger darunter kaum etwas vorstellen. Die implizite Volatilität ist ein Maß für die erwartete Schwankungsbreite des Basiswerts über die Restlaufzeit des Optionsscheins. Sie beinhaltet die messbare historische Volatilität, aber auch weitere zukunftsgerichtete Einflussfaktoren. Je höher die implizite Volatilität ist, desto teurer ist dabei der Optionsschein.
Die implizite Volatilität ist zudem stets abhängig von Basiswert und Laufzeit. Im Einzelfall lässt sich wegen der komplexen Berechnung zwar kaum vorhersagen, wie sich die Kennzahl entwickelt. Anleger sollten aber darauf achten, dass sie in Phasen niedriger Volatilität kaufen. Bei kurzer Laufzeit gilt zudem in der Regel, dass die implizite Volatilität nach wichtigen Ereignissen wie der Veröffentlichung von Zahlen zurückgeht.
Hebel unbrauchbar
Viele Anleger machen den Fehler, bei der Auswahl des richtigen Zertifikats auf den Hebel zu schauen. Doch dieser ist beim Optionsschein im Gegensatz zum Knock-out-Produkt praktisch unbrauchbar. Das Problem: Weder die absolute Differenz zum Basispreis noch der starke Einfluss der Volatilität werden in irgendeiner Form berücksichtigt. Wichtiger sind deshalb die sogenannten „Griechen“. Unter diesem Stichwort werden die Sensitivitätskennzahlen zusammengefasst, deren Bezeichnung dem griechischen Alphabet entnommen wurde.
Das Omega berücksichtigt zusätzlich zum Hebel den aktuellen Stand des Deltas, ist aber auch lediglich eine Momentaufnahme und klammert die Volatilität aus.
Sinnvoller ist es, bei der Wahl des Optionsscheins auf das Delta – die Veränderung des Optionsscheins in Abhängigkeit von der Kursveränderung des Basiswerts – zu schauen. Hier gilt: Bei einem Delta von 0,5 entfaltet der Optionsschein seine größte Wirkung. Dies ist der Fall, wenn der Schein am Geld notiert.
Anleger sollten zudem darauf achten, dass Optionsscheine nicht zu weit aus dem Geld gekauft werden. Ein Beispiel: Der Call auf die Commerzbank mit der WKN HW8XJZ hat einen Basispreis von 14,50 Euro bei einer Fälligkeit am 18. Dezember 2019. Da es äußerst unwahrscheinlich ist, dass dieser Schein noch ins Geld läuft, ist der Wert nahe null. Selbst ein Anstieg des Basiswerts würde sich im Optionsschein nicht oder kaum widerspiegeln, da der Basispreis selbst bei einem deutlichen Kurssprung quasi unerreichbar scheint. Das Beispiel zeigt auch die Bedeutung des Deltas. Ein Wert von 0,02 sagt aus, dass es in etwa 98 Prozent der Fälle zum Totalausfall kommt.
Wann ist der Optionsschein sinnvoll?
Es wird deutlich, dass ein Optionsschein deutlich komplexer ist als ein Hebelprodukt. Wer bei einem Basiswert einfach auf steigende Kurse setzen will, ist mit Turbos häufig besser beraten. Doch es gibt auch Fälle, in denen der klassische Optionsschein die Nase vorn hat.
Spannend sind Optionsscheine insbesondere als Absicherungsinstrument. Ein Put ist einem Turbo-Short deutlich überlegen. Zum einen wird das Depot nicht nur "eingefroren", zum anderen wird der Anstieg der Volatilität berücksichtigt. Anleger, die mehrere DAX-Aktien im Portfolio haben, können mit einem DAX-Put das Risiko begrenzen. Wird ein Schein gewählt, der rund fünf bis zehn Prozent aus dem Geld, also über dem Basispreis, notiert, ist der Hedge mit einem Put attraktiver. Denn im Gegensatz zum Turbo ist der Verlust auf die Optionsscheinprämie beim Kauf begrenzt.
Ebenfalls eine gute Wahl sind Optionsscheine bei Long-Spekulationen mit US-Basiswerten. Durch die Quellensteuerregelung in den USA können bei manchen Brokern keine Turbos auf US-Werte gehandelt werden. Betroffen sind Zertifikate mit einem Delta über 0,8. Um das Problem zu umgehen, bieten sich Calls an. Während Turbos immer ein Delta von (fast) 1 besitzen, haben Anleger bei Calls am Geld auch bei US-Werten eine große Auswahl – dann liegt das Delta in der Regel deutlich unter 0,8. Findet sich der passende Anlagehorizont – Anleger sollten stets bereit sein, das Papier bis zum Laufzeitende zu halten –, sind Optionsscheine als Anlagealternative nicht zu verachten.
Auszug aus Ausgabe 52/18