Die Konjunkturflaute und der Handelskrieg treffen die Stahlbranche mit voller Wucht. Vor allem die Flaute in der Autobranche wirkt sich negativ auf die Konzerne aus. Gewinnwarnungen und trübe Aussichten haben auch die Salzgitter-Aktie in diesem Jahr stark unter Druck gesetzt. Im Interview mit DER AKTIONÄR äußert sich Konzernchef Heinz Jörg Furmann zu den Aussichten.
DER AKTIONÄR: Herr Professor Fuhrmann, der Gewinn ging im laufenden Jahr auch aufgrund des schwierigen Marktumfelds deutlich zurück. Wie schätzen Sie die künftige Marktentwicklung ein bzw. wann könnte hier wieder Besserung eintreten?
Heinz Jörg Fuhrmann: Eine entscheidende Rolle spielen natürlich die diversen Handelsauseinandersetzungen: Der Großteil der globalen Handelskonflikte geht von den USA aus. In den ersten zwei Jahren der Trump-Regierung konnte sich die US-Konjunktur positiv von der restlichen Welt abkoppeln. Das hat spürbar nachgelassen und könnte ein Indiz dafür sein, dass die USA nun selbst unter dem Handelskrieg leiden. Da die nächste US-Präsidentenwahl naht, gibt es einen gewissen Anlass zu dem Optimismus, dass einige Handelskonflikte beigelegt werden könnten – was sich sowohl auf die Weltkonjunktur als auch auf das Salzgitter-Geschäft nur positiv auswirken kann.
Es gibt somit Aspekte, die nahelegen, dass wir den konjunkturellen Tiefpunkt vielleicht demnächst sehen oder schon gesehen haben.
Der zweite große Punkt ist der Wandel der Automobilindustrie, insbesondere in Europa – von konventionellen Antrieben zu vollelektrischen oder Hybridmotoren. Die damit einhergehende Verunsicherung der Verbraucher hat dazu geführt, dass weniger Neuwagen nachgefragt wurden. Zudem muss sich die Branche selbst aufwendig umstellen. Diese Neuorientierungsphase ist inzwischen sehr weit fortgeschritten, so dass die Autoindustrie künftig wieder investieren und das Verbrauchervertrauen zunehmen wird.
Es gibt somit Aspekte, die nahelegen, dass wir den konjunkturellen Tiefpunkt vielleicht demnächst sehen oder schon gesehen haben.
Welche Maßnahmen ergreifen Sie intern, um sich für die Zukunft zu rüsten?
Unser Programm FitStructure 2.0 umfasst in Summe etwa 700 Maßnahmen. Nach dessen vollständiger Umsetzung Ende 2022 soll das Ergebnis vor Steuern dadurch 240 Millionen Euro pro Jahr verbessert werden – bis dahin kommen 80 Millionen Euro jedes Jahr hinzu. Die Oberbegriffe von FitStructure lauten: Innovieren, Investieren, Digitalisieren und Rationalisieren.
Das heißt, das Programm zielt nicht ausschließlich auf Produktivitätsfortschritte, Materialeinsparungen und Ergebnisverbesserung. Es sollen über Digitalisierung und intelligente Datenauswertung auch interne Prozesse schlanker gestaltet werden. Wir sind ein innovativer Konzern, was durch gelegentliche Kostensenkungsprogramme nicht ausgebremst wird. Wir investieren vielmehr gezielt in die Zukunft.
Wie wirken sich die Klimadiskussionen auf Ihr Geschäft aus?
Der Wandel der energieintensiven Industrie, zu der auch Salzgitter zählt, von einer kohlenstoffbasierten Wirtschaft hin zu einer Wirtschaft auf Basis regenerativer Energien birgt natürlich Herausforderungen. Wir fahren dabei zweigleisig: So haben wir einen Großteil der CO2-Zertifikate, die in der vierten Handelsperiode von 2021 bis 2030 benötigt werden, bereits gekauft und dies im Vergleich zu den heutigen Marktpreisen sehr, sehr günstig.
Hinzu kommt unser Konzept SALCOS (Anm. d. Red.: Salzgitter Low CO2 Steelmaking). Wir sprechen dabei im Gegensatz zu einigen Wettbewerbern nicht von 2050, sondern sind – wenn die politischen Rahmenbedingungen stimmen – bereit, den CO2-Ausstoß schon bis 2025 um gut 25 Prozent zu reduzieren.
Wir werden im Stahl nicht desinvestieren. Stahl ist unsere DNA und wird es auch bleiben.
Eine Konsolidierung der Stahlbranche wird immer wieder diskutiert. Gespräche mit ThyssenKrupp wurden ja dementiert. Will sich Salzgitter dennoch in irgendeiner Form an einer Konsolidierung beteiligen?
Zunächst einmal: Das Wort Konsolidierung gefällt mir überhaupt nicht. Eine defensive, rückwärtsgewandte Story kann weder im Unternehmen noch am Kapitalmarkt überzeugen. Für uns kommen – wenn überhaupt – nur zukunftsträchtige, innovative Konzepte in Frage.
Bislang war die Eigenständigkeit eine Erfolgsgeschichte und ohne Zweifel der richtige Weg. Kooperationen verweigert sich das Unternehmen deshalb natürlich nicht – solange sie eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten darstellen. Für eine Fusion mit einem Wettbewerber habe ich ein solches Konzept bis heute noch nicht gesehen. Ich maße mir aber nicht an, dies für die Zukunft kategorisch auszuschließen.
Grundsätzlich gilt: Wir werden im Stahl nicht desinvestieren. Stahl ist unsere DNA und wird es auch bleiben. Und entscheidend ist, dass wir auch heute eigenständig wettbewerbsfähig sind.
Gibt es Neues zur Beteiligung an Aurubis?
Mit der Beteiligung an Aurubis von 30 Prozent minus einer Aktie sind wir derzeit sehr zufrieden. Für die Zukunft kann und darf ich eine Veränderung der Konstellation dieser bislang sehr erfolgreichen Partnerschaft aber nicht ausschließen.
Als Stahlkonzern leidet Salzgitter besonders unter der schwächelnden Konjunktur. Doch der Tiefpunkt an der Börse könnte langsam erreicht sein. Noch sollten Anleger mit einem Einstieg vorsichtig sein. Doch nach Monaten der Flaute gehört die Aktie inzwischen zumindest wieder auf die Watchlist - die Bewertung erscheint attraktiv.