AT&S befindet sich im Aufwind: Zahlen und Ausblick zeigen, dass der Vorstand die Weichen für ein nachhaltiges und vor allem dynamisches Wachstum gestellt hat. Nun beginnt bei dem österreichischen Leiterplattenhersteller die Zeit der Ernte.
In der Elektronik wird alles schneller, leistungsstärker und vor allem kleiner. Immer mehr komplexe Komponenten müssen auf engstem Raum und mit steigenden Datenmengen untergebracht werden – bei gleichzeitig sinkenden Kosten. Mit diesem Trend steigen die Anforderungen an die Leiterplatte, dem Nervenzentrum fast aller elektronischen Geräte. Leiterplatten dienen als Schnittstelle zwischen den elektronischen Endgeräten und den mechanischen und elektronischen Bauteilen. Durch die fortlaufende Miniaturisierung von Hightech-Anwendungen steigen auch die Anforderungen an die Verbindungselemente zwischen den Leiterplatten und den Mikrochips. In vielen Fällen sind IC-Substrate die Lösung, um die unterschiedlich dimensionierten Anschlüsse auf kleinstem Raum zu verbinden und damit quasi die Nanostrukturen des Chips auf die Leiterplatte zu übersetzen. Sie kommen bei Mikroprozessoren insbesondere für Computer zum Einsatz.
Einer der führenden Anbieter hochwertiger Leiterplatten und IC-Substrate ist die Austria Technologie & Systemtechnik AG – kurz AT&S. Die Gesellschaft ist seit über 30 Jahren mit sechs Produktionsstandorten in Österreich, Indien, China und Korea stets am Puls der Zeit und entwickelt vorausblickend die hochkomplexen Bauteilen für die Großserienproduktion.
Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2016/17 (per Ende März) hat das Management die Marktdynamik allerdings überschätzt. Produktzyklen sind länger geworden. Kunden haben auf Technologien gesetzt, die eigentlich bereits ersetzt werden sollten. Die schwächelnde Nachfrage setzte die Preise unter Druck. Dazu kamen Probleme beim Hochfahren der Produktion am Standort Chongqing in China, wo neben IC-Substraten auch substratähnliche Leiterplatten gebaut werden. Die Folge: Erstmals seit dem Geschäftsjahr 2009/10 wurde mit knapp 23 Millionen Euro ein Verlust erzielt. Ein Jahr davor stand noch ein Gewinn von knapp 56 Millionen Euro zu Buche.
Doch der AT&S-Vorstand Andreas Gerstenmayer hat seine Hausaufgaben gemacht. Dem anhaltenden Preisdruck bei den IC-Substraten begegnet er mit weiteren Effizienzverbesserungen und durch geschickte Preisverhandlungen mit Kunden. Zudem setzt der Firmenlenker weiter auf innovative Technologien. Die nächste Technologiegeneration (mSAP) für mobile Endgeräte ist im laufenden Geschäftsjahr 2017/ 18 in Serienproduktion gegangen. „Im Geschäft mit mobilen Endgeräten hat AT&S mit der Einführung der neuen Leiterplattengeneration mSAP eine führende Marktposition dank eines sehr schnellen und erfolgreichen Hochlaufs“, so Gerstenmayer gegenüber dem AKTIONÄR. Dem Vernehmen nach wird der neue Technologiestandard von Apple in den neuesten Gerätegenerationen eingesetzt.
Der Erfolg spiegelt sich auch im Zahlenwerk wider. Der Umsatz im Segment „Mobile Devices & Substrates“ (Anteil am Gesamtumsatz: 67 Prozent) wuchs in den ersten neun Monaten um starke 32 Prozent auf 580 Millionen Euro. Die EBITDA-Marge konnte durch die volle Auslastung ab September auf 26,8 Prozent (Vorjahr: 21,9 Prozent) gesteigert werden.
Auch insgesamt konnte AT&S in den ersten neun Monaten 2017/18 alle wesentlichen Kennzahlen gegenüber der Vorjahresperiode signifikant übertreffen. „Unsere jüngsten Investitionen tragen Früchte, die Geschäft laufen gut und wir konnten mit der Einführung der jüngsten Technologiegeneration unsere technologische Spitzenposition festigen“, so Gerstenmayer. Die Prognosen für das Umsatzwachstum bestätigte der Vorstand mit 20 bis 25 Prozent. Die EBITDA-Marge soll sogar leicht über der im Oktober 2017 gegebenen Prognose von 19 bis 22 Prozent liegen. Die zusätzlichen Abschreibungen für neue Produktlinien wurden mit nur noch rund 15 Millionen Euro beziffert. Ende März könnte für 2017/18 bei einem Umsatz von 990 Millionen Euro damit ein Gewinn je Aktie von 1,45 Euro zu Buche stehen.
Auch in Zukunft stehen Effizienzsteigerungen und Kostensenkungen ganz oben auf der To-do-Liste der Österreicher. „Jetzt geht es darum, weitere Effizienzverbesserungen zu implementieren und potenzielle Expansionsschritte im Rahmen unserer Technologiestrategie zu evaluieren“, gibt der Vorstand die Richtung vor. „Eine weitere Verbesserung der Margen bedarf als Basis einen noch besseren Produktmix beziehungsweise neue Technologien, die ein Preis-Premium erhalten. Das Halten des sehr hohen Niveaus – trotz des permanenten Preisdrucks – ist eine tägliche Herausforderung“. Im neuen Geschäftsjahr dürfte sich dann auch der mSAP-Schub in allen vier Quartalen voll bemerkbar machen. Im Jahr 2018/2019 sollte daher die Milliardenmarke beim Umsatz geknackt und der Gewinn je Aktie in Richtung 1,95 Euro gesteigert werden. Mit einem 2019er-KGV von 11 ist die Aktie angesichts der starken zweistelligen Wachstumsraten damit alles andere als teuer.
Mittelfristig sorgt der geplanten Ausbau des Werks in Chongqing für Fantasie. Offen ist nur, wann es losgeht und mit welchen Technologien. „Für das IC-Substratewerk evaluieren wir spannende andere Technologieentwicklungen, für das Werk für mSAP wird es voraussichtlich eine schrittweise Erweiterung werden. Der Zeitpunkt – der ist im Wesentlichen vom Tempo der Technologieentwicklungen und natürlich der Marktnachfrage abhängig“, so Gerstenmayer.
Mit Blick auf die Märkte sieht der Firmenlenker noch einiges Wachstumspotenzial: „Der Kommunikationsbereich wird weiter wesentliche Wachstumsimpulse setzen, genauso wie Automotive – Stichwort autonomes Fahren und e-Mobility – sowie die Medizintechnik. Generell wird das Thema Datenkommunikation in allen Marktsegmenten eine wichtige Rolle spielen, Stichwort 5G.“ Im Automotive-Bereich setzt AT&S gerade auf die High-Frequency-Technologie für Sensorik im Auto und baut entsprechende Kapazitäten in den bestehenden Werken in Indien und Österreich auf.
Die fortlaufende Miniaturisierung und steigende Datenraten in der Elektronik sind die Herausforderungen, aber auch Chancen für AT&S. Die Gesellschaft ist bestens aufgestellt, um sich diesen Themen zu stellen. Gelingt es dem Vorstand, die eigene Effizienz weiter zu steigern und zusätzliche Umsätze und Ergebnisbeiträge mit neuen Technologien zu generieren, dann werden die Gewinne in den kommenden Jahren kräftig sprudeln – und die günstig bewertete Aktie wird ihre Aufwärtsbewegung dynamisch fortsetzen und auf Sicht von zwölf Monaten deutlich jenseits der 30-Euro-Marke notieren.
Hinweis nach §34 WPHG zur Begründung möglicher Interessenkonflikte: Aktien oder Derivate, die in diesem Artikel besprochen / genannt werden, befinden sich im "Real-Depot" von DER AKTIONÄR.