Die Aktie von ProSiebenSat.1 setzt ihre Talfahrt fort und verliert im freundlichen Gesamtmarkt am Freitag über fünf Prozent. Auch die Papiere von RTL laufen dem MDAX hinterher. Zuvor hatte Morgan Stanley in einer Branchenstudie zum Verkauf geraten.
Das klassische Fernsehgeschäft von Medienkonzernen wie ProSiebenSat.1 und RTL dürfte laut der Investmentbank Morgen Stanley immer stärker in Bedrängnis geraten. Auch in Europa werde die Beliebtheit von Abonnements für Video-On-Demand und die Verkäufe von Videoinhalten über das Internet (OTT) in den nächsten fünf Jahren weiter steigen, schreibt Analyst Omar Sheikh in einer Branchenstudie. Das gehe wiederum zu Lasten der traditionellen, werbefinanzierten Fernsehsender.
Zur Begründung verweist der Analyst auf die Entwicklung in den USA: Als der Streaming-Dienst Netflix dort eine Marktdurchdringung von 20 Prozent erreicht hat, habe sich dies als Wendepunkt für das lineare Fernsehen herausgestellt. Ab diesem Zeitpunkt sei der Konsum von klassischen TV-Angeboten gesunken, was wiederum die Werbeeinnahmen gedrosselt habe.
In Europa stehe dieser Punkt nun kurz bevor, so Sheikh. In Großbritannien, Deutschland und Schweden hätten Netflix und Amazon Prime Video den Markt bereits zu rund einem Viertel durchdrungen – Tendenz weiter steigend. Innerhalb der kommenden fünf Jahre werde diese Schwelle in jedem europäischen Land überschritten sein.
Vor diesem Hintergrund dürfte ein Nullwachstum bei den Werbeeinnahmen künftig zur Normalität werden. Da das Geschäft mit TV-Werbung bei den europäischen Sendergruppen aber zwischen 50 und 90 Prozent der Umsätze beiträgt, werde sich diese Entwicklung schnell in den Bilanzen bemerkbar machen. Morgen Stanley rechnet etwa mit einem EPS-Rückgang von rund 40 Prozent auf Sicht von fünf Jahren.
Verkaufsempfehlung für ganze Branche
Nach Einschätzung von Analyst Sheikh sind davon alle europäischen Sendergruppen betroffen, entsprechend hat er die Papiere von RTL, Mediaset, Mediaset Espana und M6 von „equal-weight“ auf „underweight“ abgestuft. Das Rating für ProSiebenSat.1 wurde sogar um zwei Stufen gesenkt, von „overweight“ auf „underweight“. Lediglich für den britischen Medienkonzern ITV wurde das „overweight“-Rating bestätigt – Grund dafür sind Übernahmespekulationen und der strategische Wert dessen Studios.
ProSiebenSat.1 & RTL auf Talfahrt – meiden!
Hierzulande fällt die Reaktion der Anleger eindeutig aus: Im freundlichen Gesamtmarkt sackt die Aktie von ProSiebenSat.1 um mehr als fünf Prozent ab und trägt damit die rote Laterne im MDAX. Nach der enttäuschenden Kursentwicklung in den vergangenen Monaten notiert die Aktie nun auf dem tiefsten Stand seit mehr als fünf Jahren. Weder ein Wechsel an der Konzernspitze, noch Anpassungen an der Strategie konnten den Abwärtstrend bisher bremsen.
Kaum besser ergeht es den Papieren von RTL, die mit einem Abschlag von rund 4,2 Prozent nur knapp vor ProSieben liegen. Hier droht unterhalb der 60-Euro-Marke kurzfristig der Rückfall auf ein neues 52-Wochen tief.
Beide Empfehlungen wurden bereits früher in diesem Jahr ausgestoppt und befinden sich seitdem auf der Watchlist des AKTIONÄR.