Das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) um hohe Kosten bei Widerruf von Verträgen der Partnervermittlung Parship Group kann den Medienkonzern ProSiebenSat.1 teuer zu stehen kommen. Das Unternehmen darf erbrachte Leistungen während der Widerrufsfrist von 14 Tagen nur zeitanteilig in Rechnung stellen und nicht den Großteil des Preises für ein Jahresabo verlangen. Der EuGH in Luxemburg entschied zugunsten einer deutschen Verbraucherin.
Die Parship Group gehört zu ProSiebenSat.1 und dem amerikanischen Finanzinvestor General Atlantic. Die Parship-Vermittlung zählt zu den Marktführern im deutschsprachigen Raum.
Konkret geht es um den Fall einer einzelnen Kundin, doch das EuGH-Urteil dürfte wegweisend für Hunderte weitere Verfahren beim Amtsgericht Hamburg sein. Denn die Praxis ist seit Jahren Anlass für Prozesse. Nun will Parship Konsequenzen ziehen, da „eine Rechtsfrage europaweit geklärt worden" sei, erklärte Sprecherin Jana Bogatz auf Anfrage. Parship werde „die Berechnung seines Wertersatzes der europäischen Entscheidung entsprechend anpassen“.
Die Klägerin hatte im November 2018 eine Premium-Mitgliedschaft für zwölf Monate bei Parship für 523,95 Euro abgeschlossen. Nach vier Tagen widerrief sie den Vertrag, also innerhalb der gesetzlich gewährten Frist. Der Betreiber wollte dafür 392,96 Euro als Wertersatz in Rechnung stellen.
Die Firma argumentierte, dass die Frau ausdrücklich zugestimmt habe, bereits während der Widerspruchsfrist erste Leistungen zu erhalten, und gerade diese hätten den größten Wert. So erhalten neue Mitglieder nach einem dreißigminütigen Persönlichkeitstest sofort automatisiert Partnervorschläge im selben Bundesland. Premium-Mitglieder bekommen ein 50-seitiges Persönlichkeitsgutachten, das Basis-Mitglieder gegen Entgelt als Teilleistung kaufen können.
Der EuGH entschied jedoch, dass bei Widerruf nur zeitanteilig zu zahlen war - in diesem Fall also für vier Tage. Nur wenn ein Vertrag ausdrücklich einen getrennten Preis für Leistungen zu Beginn der Laufzeit vorsieht, ist dieser fällig. In dem fraglichen Vertrag sei aber kein gesonderter Preis für irgendeine Einzelleistung vermerkt gewesen, stellte der EuGH fest.
Der Fall geht nun zurück ans Amtsgericht Hamburg, das die EU-Kollegen um Auslegung der EU-Verbraucherrechte gebeten hatte. In Hamburg sind nach Angaben des Amtsgerichts mehrere Hundert Parallelverfahren anhängig. In etlichen Einzelfällen haben einzelne Abteilungen des Amtsgerichts auch schon zu Gunsten von Verbrauchern in ähnlicher Lage entschieden, wie aus einer Fallsammlung der Verbraucherzentrale Hamburg hervorgeht.
„Verbraucher, die den Wertersatz gezahlt und trotz der zahlreichen positiven Urteile bisher nicht geklagt haben, sollten nun Parship unter Fristsetzung zur Erstattung auffordern und - erfolgt diese nicht - auf Erstattung des Betrages abzüglich Tagespreises klagen“, riet die Verbraucherzentrale. Die Verjährungsfrist betrage drei Jahre.
Die wirtschaftlichen Folgen für ProSiebenSat.1 werden überschaubar bleiben. Wichtig ist, dass nun die Unklarheit wegen dem Umgang mit Widerruf bei den Parship-Dienstleistungen beseitigt ist. Die Aktie der Konzern-Mutter ProSiebenSat.1 befindet sich seit einigen Wochen im Aufwärtstrend; nächste Hürde auf dem Weg nach oben ist nun das Juni-Hoch bei 12,64 Euro. Investierte Anleger bleiben an Bord, Neueinsteiger warten den Sprung über das Juni-Hoch ab.
(Mit Material von dpa-AFX)
Der Vorstandsvorsitzende und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren: ProSiebenSat.1.