Der Schweizer IT-Security-Spezialist OpenLimit investiert kräftig in sein Produktportfolio. Analysten erwarten ab 2014 ein deutliches Umsatzwachstum und den Sprung in die Gewinnzone. DER AKTIONÄR sprach mit OpenLimit-CEO Marc Gurov über das Wachstumspotenzial der Gesellschaft.
Der Schweizer IT-Security-Spezialist OpenLimit investiert kräftig in sein Produktportfolio. Durch die Neuausrichtung der Geschäftsstrategie auf Industriekunden rechnen Analysten ab 2014 mit einem deutlichen Umsatzwachstum und dem Sprung in die Gewinnzone. Montega sieht ein Kurspotenzial von 200 Prozent. DER AKTIONÄR sprach mit OpenLimit-CEO Marc Gurov über das Wachstumspotenzial der Gesellschaft, die Exklusivkooperation mit Fujitsu und die Vision des „elektronischen Handschlags".
DER AKTIONÄR: Herr Gurov, gestatten Sie uns zunächst einen Blick zurück auf 2012. Wie fällt Ihr Fazit zum abgelaufenen Geschäftsjahr aus?
Marc Gurov: OpenLimit hat im Jahr 2012 strategisch einen großen Schritt nach vorne gemacht. Zu den bisherigen Standbeinen elektronische Signatur und Identitäten sind die beiden Bereiche beweiswerterhaltende Langzeitspeicherung (Fujitsu SecDocs powered by OpenLimit) sowie sichere Datenübertragung (Smart Meter Gateway) neu hinzugekommen. Hinter beiden stehen Märkte mit enormem Wachstumspotential. Darüber hinaus wurden durch Veränderungen in Verwaltungsrat und Geschäftsleitung, Umstrukturierung der Bereiche Marketing/Vertrieb sowie in der Produktentwicklung auch intern die Weichen für zukünftige, positive Entwicklungen gestellt.
Können Sie unseren Lesern bitte kurz erläutern, was hinter den beiden neuen Standbeinen steckt?
Mit SecDocs können wir in exklusiver OEM-Partnerschaft mit dem Weltkonzern Fujitsu die erste nach internationalen Kriterien zertifizierte Langzeitspeicherungslösung seiner Art anbieten, wodurch papiergestützte Archive der Vergangenheit angehören. Das in Partnerschaft mit der Powerplus Communications AG in der Entwicklung befindliche Smart Meter Gateway auf der anderen Seite eröffnet OpenLimit den Zugang zum durch die Energiewende sich neu orientierenden Energiemarkt. Hier kommt die Kernkompetenz des Unternehmens „zertifizierte, hochsichere Technologien" erneut zum Tragen.
Sie haben die Exklusivkooperation mit Fujitsu angesprochen. Im Dezember 2012 hat sich mit der Bundesagentur für Arbeit der erste Großkunde für SecDocs entschieden. Erwarten Sie von diesem Referenzkunden einen Schub für das Neugeschäft?
Dass mit der Bundesagentur für Arbeit gleich die größte Behörde Deutschlands mit einem enormen zu archivierenden Dokumentenbestand als langfristiger SecDocs-Kunde gewonnen werden konnte, freut uns ganz besonders und verleiht zusätzlichen Schub für die Gewinnung von Neukunden. Da die Bundesagentur zudem auch weitere OpenLimit-Produkte sowohl für die Einzelplatzsignatur als auch für große Digitalisierungsprojekte erfolgreich einsetzt, haben wir den Zuschlag für die Ausschreibung durch Fujitsu als besonderes Vertrauensvotum gesehen.
Welche Impulse erwarten Sie vom neuen E-Government-Gesetz, dass der Deutsche Bundestag am 18. April 2013 verabschiedet hat?
Dieses Gesetz stellt einen wichtigen Meilenstein bei der Modernisierung der Verwaltung dar, da es bisherige Hindernisse bei der elektronischen Kommunikation beseitigt. So werden mit dem Gesetz die Aktivitäten rund um den neuen Personalausweis und dessen eID-Funktion (Authentisierungsfunktion) sowie DE-Mail mit dem Ziel der effizienteren Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Verwaltung gestärkt.
Inwiefern wird OpenLimit hiervon profitieren?
Bemerkenswert für OpenLimit erscheint hier, dass neben der Stärkung der elektronischen Identifizierung, vor allem die rechtliche Klärung des sog. „ersetzenden Scannens" (TR-RESICAN) sowie die Empfehlung an Behörden für die Nutzung von Produkten, die die Technische Richtlinie „Beweiswerterhaltung kryptographisch signierter Dokumente", kurz
TR-ESOR, des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) erfüllen. In allen drei genannten Bereichen ist OpenLimit bereits in den größten bisher ausgeschriebenen Projekten beteiligt. Die gesetzliche Konkretisierung wird zur Dynamisierung des Marktes - nicht nur im E-Government-Bereich - beitragen.
Ein weiterer Ihrer künftigen Wachstumstreiber ist truedentity, eine neue Technologie zur sicheren Identifizierung von Nutzern im Internet. Könnten Sie unseren Lesern bitte kurz erläutern, wie truedentity funktioniert?
Truedentity ist ein Produktportfolio für sichere und vertrauensvolle Authentisierungsprozesse und basiert auf denselben Standards und Technologiekonzepten wie sie softwareseitig in der Kommunikation mit dem Personalausweis zum Einsatz kommen. Dabei bieten wir im Backend den truedentity-Server mit Erweiterungsmöglichkeit zum nPA-fähigen eID-Server an, während im Frontend je nach Sicherheitsbedürfnis und Anwendungsfall verschiedene Clients bzw. Endgeräte genutzt werden können (z. B. Software Token, USB Stick, Smartphone App, Venenscanner etc.). Dies erhöht die Flexibilität, hilft Kosten zu sparen und garantiert Investitionssicherheit für unsere Kunden.
Ist das Produkt schon „marktreif"?
Ende April wurde truedentity in der Version 1.0 samt Android App als Client fertig gestellt und erste Pilotprojekte laufen bereits. Beispielhaft für ein vielversprechendes Anwendungsszenario von truedentity präsentierte OpenLimit auf der CeBIT gemeinsam mit Fujitsu einen „Show-Case", bei dem truedentity mit der Fujitsu Venenscanner Technologie PalmSecureTM kombiniert wird. Damit lassen sich vielseitige Identifizierungsverfahren im Gesundheitswesen und im Finanzdienstleistungssektor, aber auch im Bereich der physischen Zutrittskontrolle realisieren.
Wann erwarten Sie erste bedeutende Vertriebserfolge bei truedentity und welches Umsatz- und Ergebnispotenzial sehen Sie mittelfristig?
Beide Unternehmen arbeiten mit Hochdruck an der Produktreife für den Einsatz der Technologien bei Kunden, welche zum Teil in bereits laufende Projekte integriert werden sollen. Wir erwarten, dass truedentity ein wesentlicher Umsatztreiber für die Zukunft sein wird. Der Markt ist reif für neue, sichere Authentisierungssystem, da die Themen Datenschutz- und -Sicherheit konsequent in der heutigen Zeit an Bedeutung zunehmen.
Durch die Partnerschaft mit der Power Plus Communications AG ist OpenLimit in den Wachstumsmarkt Smart Grid eingestiegen. Welche Fortschritte haben Sie in der Zwischenzeit gemacht und ab wann rechnen Sie mit signifikanten Umsätzen in diesem Bereich?
Das Smart Meter Gateway ist das zentrale Element in einem intelligenten Stromnetz („Smart Grid"), welches die Kommunikation von Stromzählerdaten zwischen Energieversorger und Endverbraucher sichert, und muss laut EnWG - sobald zertifiziert erhältlich - verpflichtend von gewissen Endverbrauchern eingeführt werden. Wir arbeiten gemeinsam mit PPC mit Hochdruck an der Entwicklung eines Prototypen und durchlaufen parallel dazu den Zertifizierungsprozess. So wurden im ersten Quartal beispielsweise bereits erste Interoperabilitätstests mit der Firma Robotron zur Administration des Smart Meter Gateways erfolgreich abgeschlossen. Mit Abschluss der Entwicklung ist aus heutiger Sicht im vierten Quartal 2013 zu rechnen und wir erwarten deshalb in 2014 signifikante Umsätze.
Blicken wir auf das laufende Geschäftsjahr: Welche Ziele haben Sie sich für 2013 gesetzt?
OpenLimit ist auf gutem Weg, die beschlossene Strategieerweiterung und die einhergehenden Maßnahmen erfolgreich umzusetzen. Die Aufgabe hat bisher mehr Kraft und Zeit beansprucht, als ursprünglich angenommen und wird sich auch in 2013 fortsetzen. Dies betrifft insbesondere neue Produktversionen, welche sich im Fertigstellungsprozess befinden. Die wesentlichen Umsatztreiber in 2013 werden truedentity, Fujitsu SecDocs und die Signaturprodukte sein. Mit dem Smart Meter Gateway könnten geringe Verkaufsumsätze in 2013 erfolgen, jedoch gehen wir in diesem Zusammenhang erst ab 2014 von einem Umsatzsprung aus, der auch dem Unternehmen verhelfen sollte, nachhaltig profitabel zu werden. Für 2013 erwarten wir ein moderates Umsatzplus sowie eine weitere Verringerung des Verlusts.
Was bedeutet dies für die kommenden Quartale konkret?
Die Quartalsentwicklungen bleiben weiterhin, aufgrund des Projekt-Charakters des Geschäft sowie der bisher zögerlichen Entwicklung der Umsätze mit Fujitsu SecDocs, schwer vorhersagbar. Working Capital Management wird daher bis zum Jahresende 2013 eine wichtige Rolle spielen. Die Unternehmensführung wird alles daran setzten, die Vision des sicheren, elektronischen Handschlags umzusetzen.
Blickt man auf den Verlauf des Aktienkurses, so scheint der Kapitalmarkt derzeit eher skeptisch gestimmt. Mit welchen Maßnahmen wollen Sie das Vertrauen der Anleger zurückgewinnen?
Mit der Entwicklung des Aktienkurses sind wir keinesfalls zufrieden - zumal sich ebenfalls in der Geschäftsleitung sowie im Verwaltungsrat einige größere Aktionäre befinden. Vergleichen wir unsere Technologien und Partnerschaften mit jenen vor drei Jahren, so werden wir unserer Meinung nach deutlich unter unserem Wert gehandelt. Unsere Anleger erhoffen sich genau das gleiche wie wir - dass wir unsere Produkte, welche aus technologischer Sicht in Deutschland ihresgleichen suchen, ebenfalls in umsatzstarke Projekte zu gießen. Diesen Ansatz versuchen wir nun zusätzlich zum eGovernment-Bereich gezielt in den Industriesektoren zu verfolgen. Zudem sollten auch bereits unterschriebene Verträge endlich das erhoffte Umsatzwachstum bringen und unsere Finanzgebarung nachhaltig verbessern. Durch einen weiteren positiven Newsflow werden sich diese Entwicklungen schließlich auch positiv auf den Börsenwert niederschlagen.
Herr Gurov, vielen Dank für das Interview.