Inflation, Zinsen und Aktien sind untrennbar miteinander verbunden. Und nichts beschäftigt die Menschen in diesen Tagen so, wie der schnelle Verlust der Kaufkraft des Euros. Einer Allensbach-Umfrage zufolge haben die Deutschen mehr Angst vor der Inflation als vor der Corona-Krise oder unkontrollierten Zuwanderung. Nachdem die FED nun erste Schritte zum Schutz der Dollar-Kaufkraft angekündigt hat, richten sich die Blicke auf die Ratssitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) am Donnerstag.
„Die EZB muss nun dringend nachziehen, um (…) einer Lohn-Preis-Spirale entgegenzutreten“, so der Präsident des Bundesverbandes Großhandel Dirk Jandura zu Reuters. Auch Dr. Martin Wolburg von Generali Investments sieht, „dass der Lohndruck außergewöhnlich hoch ist, so dass dies letztlich zu einem weiteren Aufwärtsdruck auf die Inflation führt.“
Überraschung
EU-Währungshüterin Christine Lagarde sieht diese Gefahr offenbar noch nicht als relevant an. Im Gespräch mit CNBC (ab Min 17) sprach die Juristin davon, von der starken Erholung der Wirtschaft und der Inflation überrascht worden zu sein, aber dass sich die Energiepreise nun in 2022 „stabilisieren“ sollten.
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— World Economic Forum (@wef) January 21, 2022
Brancheninsider sehen das teils anders. Der CEO der Deutsche Rohstoff AG rechnet mit Aufwärtsdruck beim Ölpreis im Jahr 2022 auf bis zu 100 Dollar. Im Teams-Call mit dem AKTIONÄR Hot Stock Report sagte Volkswirt Dr. Thomas Gutschlag vor zwei Wochen, es sei seinem Gefühl nach „irrsinnig“, dass die EZB entschlossene Zinsschritte gegen die Euro-Entwertung bisher quasi ausgeschlossen hatte.
Bezeichnend: In Kommentaren auf Twitter unter dem offiziellen EZB-Account mischen sich vermehrt Menschen, die Vertrauen in den Euro verloren haben und Alternativen wie den umstrittenen Bitcoin vorschlagen.
Auch Wolburg sieht „gute Gründe“ für die Annahme, dass der Kaufkraftverlust weitergeht: „Die Inflation im Euroraum stieg im Dezember auf 5,0 Prozent und wird auch 2022 meist deutlich über dem Zielwert liegen. Mittelfristig werden der grüne Übergang und die schrumpfende Erwerbsbevölkerung, wenn die ‚Baby Boomer‘ den Arbeitsmarkt verlassen, zu einer strukturell höheren Inflation beitragen. (…) Daher wird die EZB ihren geldpolitischen Kurs anpassen müssen.“
Ende 2021 hatte die EZB auf unsere Nachfrage in einer Antwort noch betont, dass es wichtig sei, eine nachhaltige Erholung der Wirtschaft zu unterstützen. Doch Hoffnungen auf niedrige Inflationsraten haben sich bisher nicht erfüllt, was eines Tages ein Handeln und eine Korrektur der Politik nötig machen dürfte – was wiederum deutliche Auswirkungen auf den Aktienmarkt haben könnte, wie im aktuellen AKTIONÄR TV besprochen wird.