Der vom Einbruch des Luftverkehrs in der Corona-Krise schwer getroffene britische Triebwerksbauer Rolls-Royce sieht erste Anzeichen einer Erholung. Nach dem Tief im April seien im Mai und Juni erste, kleine Verbesserungen – angeführt durch wieder mehr Flüge in Asien und Nahost – erkennbar gewesen, hieß es in einer Zwischenmitteilung von Rolls-Royce. Doch nicht die Briten-Aktie, sondern Konkurrent MTU Aero Engines profitiert von der Meldung.
Grund für den Kurszuwachs der MTU-Aktie ist wohl auch die Kursziel-Anhebung der britischen Investmentbank Barclays. Analystin Milene Kerner hat das Kursziel für MTU vor den für Anfang August angekündigten Quartalszahlen von 100 auf 129 Euro angehoben. Die Konsensschätzungen für den Triebwerks-Hersteller dürften im vierten Quartal den Tiefpunkt erreichen, heißt es in einer Studie. Mit mehr Klarheit über die Produktionspläne von Airbus und Boeing könnte das Management von MTU einen neuen Ausblick auf das Gesamtjahr geben.
Die Aktie von MTU gehört am Freitag-Nachmittag mit einem Kursaufschlag von etwa 1,5 Prozent zu den besseren Aktien im DAX, notiert damit aber deutlich über dem Kursziel der Barclays-Analystin. Charttechnisch wichtig ist nun kurzfristig, dass die 50-Tage-Linie verteidigt wird.
Überhaupt liegen die Konsensschätzungen zu MTU überwiegend unter dem aktuellen Kurs. Im Schnitt sehen die bei Bloomberg geführten Analysten ein Kursziel von 136,50 Euro. Immerhin: Die Analysten von Morningstar und dem Bankhaus Metzler glauben an ein Niveau in den kommenden zwölf Monaten von 194 bzw. 185 Euro.
Konkurrent Rolls-Royce steht hingegen an der Börse deutlicher unter Druck. Zwar macht das Sparprogramm Fortschritte. Der coronabedingte Einbruch des Geschäfts könnte aber zu Abschreibungen führen. Zudem prüft das Unternehmen laut Konzernchef Warren East weitere Maßnahmen, um die Bilanz zu stärken. Das gab Spekulationen über eine Kapitalerhöhung neue Nahrung.
Insgesamt könnte der Einbruch des weltweiten Luftverkehrs und die Notlage vieler Airlines Rolls-Royce stärker treffen als andere Triebwerkshersteller wie General Electric, Safran, Pratt & Whitney und eben die deutsche MTU.
Denn im Gegensatz zu den Rivalen hat sich Rolls-Royce aus dem Triebwerksbau mit Kurz- und Mittelstreckenjets zurückgezogen und sich auf Antriebe für Großraumflugzeuge von Boeing und Airbus verlegt, die auf Langstrecken-Verbindungen von Kontinent zu Kontinent zum Einsatz kommen. Gerade das Geschäft mit Fernflügen dürfte laut Experte aber am längsten für eine Erholung brauchen. (Mit Material von dpa-AFX)
Auch wenn MTU aufgrund seiner Konzentration auf Triebwerke für Kurz- und Mittelstrecken-Flugzeuge bessere Chancen als etwa Rolls-Royce hat, bleibt der Weg aufwärts in absehbarer Zeit coronabedingt schwierig.
Langfristig sollte der positive Trend der Luftfahrt jedoch wieder Fahrt aufnehmen. DER AKTIONÄR hatte bereits Mitte März – etwas zu früh – mutigen Anlegern den DAX-Wert zum spekulativen Kauf empfohlen. Aktuelles Kursziel: 200 Euro. Spätestens bei 125 Euro sollte eine Stop-Loss-Order platziert werden.