Was vor wenigen Monaten noch ein frommer Wunsch gewesen ist, könnte nun Wirklichkeit werden: Die Rezession fällt womöglich komplett aus. Die deutsche Industrieproduktion ist im November um 0,2 Prozent gestiegen, die Gasspeicher sind gut gefüllt, die Zahl der Beschäftigten ist nach wie vor auf Rekordniveau.
Folglich hat sich die Wirtschaftsstimmung im Euroraum im Januar zum dritten Mal in Folge aufgehellt. Laut Sentix kletterte der Konjunkturindikator im Vergleich zum Vormonat um 3,5 Punkte auf minus 17,5 Zähler und damit auf den höchsten Stand seit vergangenem Juni. Ein Grund dafür könnte die sich abschwächende Inflation sein: Die Verbraucherpreise erhöhten sich im Dezember im Vergleich zum Vorjahr um 9,2 Prozent und damit um 0,3 Prozentpunkte weniger, als von Volkswirten erwartet worden war. Frankreichs Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau rechnet damit, dass die EZB im Sommer die Zinserhöhungen beenden wird.
„Fakt ist, dass eine von vielen befürchtete starke Rezession ausbleibt“, so Thomas Straubhaar, Schweizer Top-Ökonom, im Gespräch mit dem AKTIONÄR. „Das BIP bricht nicht ein, es stagniert – trotz all der immensen Probleme bei den Energiepreisen, dem Krieg in der Ukraine und der Covid-Krise in China.“ Einmal mehr bestätige sich, dass der deutsche Mittelstand weit anpassungsfähiger ist, als von vielen befürchtet, und aus Krisen Chancen macht. „Das bestätigt den Optimismus für 2023: Der staatliche Doppel-Wumms der Fiskalpolitik stabilisiert Konsum und Arbeitsmarkt. Die grüne Transformation schreitet mit Tempo voran und sorgt an vielen Stellen für neue Wachstumsimpulse.“
Straubhaar legt sich fest: „Sobald es in der Ukraine zu einem Kriegsende kommen wird, beginnt in Osteuropa ein ökonomischer Nachkriegsboom. Den sollten deutscher Mittelstand und Investoren nicht verschlafen!“
„Fakt ist, dass eine von vielen befürchtete starke Rezession ausbleibt.“
Nebenwerte obenauf
Manche Anleger teilen offensichtlich Straubhaars Einschätzung und haben zuletzt investiert. Der DAX liegt seit Jahresbeginn mit sechs Prozent im Plus. Viel interessanter ist allerdings die Entwicklung des MDAX: Der Index für die deutschen Mittelstandswerte hat bereits neun Prozent zugelegt. Damit könnte sich das wiederholen, was während der Finanzkrise und in der Zeit danach geschah: Der MDAX könnte ein viel dynamischeres Comeback hinlegen als der DAX. Damals (siehe Chart) brachen die beiden Indizes im Gleichschritt ein – nach fünf Jahren allerdings hatte der DAX noch immer nicht sein Vorkrisen-Niveau erreicht, während der MDAX bereits mit 21 Prozent im Plus lag.
In der Wirtschaftskrise nach der Jahrtausendwende lief es für die im MDAX gelisteten Unternehmen ebenfalls merklich besser als für die DAX-Werte: Von 2000 bis 2005 kletterte der MDAX 78 Prozent, während der DAX 21 Prozent nachgab.
So kommt es, dass der MDAX den DAX langfristig klar abhängt: Seit 2000 kommt der MDAX auf ein Plus von 560 Prozent, während der DAX lediglich 110 Prozent gestiegen ist. Auch der SDAX lief besser – er kletterte um 340 Prozent.
Auf Sicht von zwölf Monaten liegt allerdings jetzt der DAX vorn: Sieben Prozent hat der deutsche Leitindex verloren, während der MDAX um 22 Prozent gecrasht ist. Das liegt daran, dass die Anleger aus Sorge vor einer heftigen Rezession ihr Geld lieber in Blue Chips stecken, die vom Abschwung nicht ganz so stark betroffen sind wie viele Nebenwerte. Zeichnet sich eine konjunkturelle Erholung ab, konzentriert sich die Börse wieder auf die Vorzüge von MDAX- und SDAX-Unternehmen: Sie sind oft schneller unterwegs und viel flexibler, da sie schlankere Strukturen haben als die meisten Großkonzerne.
In der Titelstory analysiert DER AKTIONÄR sieben Aktien von Unternehmen aus MDAX und SDAX, die aus unterschiedlichen Gründen in den kommenden Wochen ordentlich Gas geben dürften. Zudem gibt es eine Neueinschätzung zu ausgewählten laufenden Empfehlungen aus der zweiten und dritten Reihe.