Mercedes hat in den ersten drei Quartalen 2022 einen guten Lauf gehabt. Grund für die aus Herstellersicht insgesamt günstige Lage im vergangenen Jahr war vor allem, dass die Teileknappheit lange für Produktionseinschränkungen gesorgt hat - bei gleichzeitig hoher Nachfrage trieb das die Preise in die Höhe.
Spannend wird daher insbesondere, wie der Konzern bei den Preisen für Neu- und Gebrauchtwagen in die nähere Zukunft blickt. Nach dem dritten Quartal strahlte Finanzchef Harald Wilhelm Ende Oktober noch Zuversicht aus: Selbst im derzeitigen wirtschaftlichen Umfeld sänken die Rabatte für Neuwagen, auch im Jahr 2023 wolle Mercedes diese nicht wieder ausweiten.
Wenige Wochen später aber war es dann aber schon soweit, zumindest in Teilbereichen: Für die Modelle EQS und EQE - die vollelektrischen Pendants zur S- und E-Klasse - musste Mercedes im November im wichtigen Markt China die Preise deutlich senken. Auch wenn das Problem in China aufgrund eines vergleichsweise geringen Platzangebots im EQS anscheinend hausgemacht war: Elektrokonkurrent Tesla senkte auf breiter Front neben China auch in den USA und Europa die Preise und brachte so die Konkurrenz in Zugzwang.
Für 2022 hatte Mercedes-Benz zuletzt nach zwei Anhebungen im Jahresverlauf eine operative Marge (bereinigtes Ebit) in der Autosparte von 13 bis 15 Prozent in Aussicht gestellt. Trotz höherer Kosten für Energie, Teile und Frachten lag die Marge nach neun Monaten mit 15 Prozent fast drei Prozentpunkte höher als im Vorjahr mit 12,2 Prozent. Auch in der Van-Sparte war Mercedes zuletzt optimistischer als zu Jahresbeginn.
Der Konzernumsatz soll sich deutlich über dem noch von Corona und Chipmangel belasteten Vorjahresniveau bewegen, das Konzernergebnis vor Zinsen und Steuern ebenfalls deutlich darüber. Dabei ist die im Dezember 2021 abgespaltene ehemalige Lkw-Tochter Daimler Truck aus den Vorjahreszahlen herausgerechnet.
Für die Bank of America und ihren Analysten Horst Schneider sieht es danach aus, als sollte der Zyklus neuer Modelle bei Mercedes in diesem Jahr seinen Höhepunkt erreichen. Neue Modelle bringen in aller Regel Schub bei den Preisen, weil die Rabatte für Neuwagen tendenziell geringer sind. Allerdings gebe es noch immer Kurstreiber, schrieb Schneider. Der Ausblick dürfte zwar wie immer vorsichtig ausfallen, ein möglicher Aktienrückkauf könnte jedoch für gute Stimmung bei den Anlegern sorgen.
JPMorgan-Experte Jose Asumendi sieht für das laufende Jahr weitere Aufwärtschancen für die Aktie, da er die Preisdurchsetzungsmöglichkeiten weiter für gut hält. In der ersten Jahreshälfte dürfte das auch die Markterwartungen nach oben treiben. Der Ausblick des Managements dürfte aber zunächst vorsichtig ausfallen.
Etwas anders sieht es Goldman-Sachs-Analyst George Galliers, der angesichts seiner zurückhaltenden Sicht auf die Kauflaune in Europa für 2023 und 2024 mit seinen eigenen Erwartungen nach eigener Aussage unterhalb der Marktschätzungen liegt. Er ist auch für den Jahresschluss 2022 skeptischer, da Mercedes im vierten Quartal die Zulieferer unterstützt habe. In den kommenden Jahren sollten allerdings die Luxusbemühungen von Vorstandschef Ola Källenius Früchte tragen und Mercedes den Rivalen in dem Segment näherbringen.
In der Gesamtschau rechnen die Analysten mit einem auf vergleichbarer Basis um neun Prozent gestiegenen Konzernumsatz in Höhe von 145,7 Milliarden Euro. Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern sollte demnach bei 20,4 Milliarden Euro liegen. Gegenüber dem Vorjahr, in dem Mercedes auf vergleichbarer Basis 17,2 Milliarden Euro verdiente, wäre das ein Plus von fast einem Fünftel. Unter dem Strich sollte ein Nettogewinn von mehr als 13 Milliarden Euro stehen. Die Dividende wird auf rund 5 Euro geschätzt und damit wie für das Vorjahr. Darin war allerdings wegen der Abspaltung von Daimler Truck eine Sonderzahlung von 0,70 Euro enthalten, da der Truck-Konzern noch keine eigene Ausschüttung vornahm.
Für das neue Jahr gehen die Fachleute von weiteren Zuwächsen beim Umsatz aus, das bereinigte operative Ergebnis sollte allerdings zurückgehen. Die am Markt stark beachtete operative Marge in der Autosparte erwarten sie bei 13,4 Prozent und damit unter dem für 2022 geschätzten Wert von 15,1 Prozent. Eine mögliche Spanne von 12 bis 14 Prozent bei der Unternehmensprognose für diesen Wert nennt beispielsweise Galliers von Goldman
Die Mercedes-Aktie hat sich zuletzt gut entwickelt. Gute News stützten die positive Performance. Unter anderem wird Mercedes ein eigenes Ladenetz aufbauen. Die Investition in ein Ladenetz ist durchaus sinnvoll. Tesla war hier der First Mover, was positiv auf die Marke abgestrahlt hat. Mercedes-Benz macht das weniger aus dem Aspekt der Innovation, sondern als Ergänzung der Luxus-Strategie.
DER AKTIONÄR bleibt für die Mercedes-Aktie optimistisch. Die Strategie stimmt, fundamental ist die Story nach wie vor intakt.