Seit dem Corona-Tief im März ging es mit den meisten Werten bis zuletzt fast nur aufwärts. Logisch: Der Kursaufschwung am deutschen Aktienmarkt brauchte eine Abkühlung. Die kam nicht unerwartet in der abgelaufenen Woche. Und nun? Es dürfte in den kommenden Tagen wohl holprig bleiben. Mit Spannung werden auch die verspäteten Quartalszahlen von Wirecard erwartet. Ein Wochenausblick.
Der Deutsche Aktienindex DAX hatte am vergangenen Montag zeitweise fast wieder die Marke von 13.000 Punkten erreicht. Mit Euro-Zeichen in den Augen hatten einige Investoren schon wieder auf das DAX-Rekordhoch vom Februar bei 13.795 Punkten geschielt. Vorsichtige Signale der US-Notenbank wirkten dann aber als jähe Euphoriebremse zurück unter 12.000 Punkte.
Der DAX schloss am Freitag bei 11.949 Punkten. Auf Wochensicht steht damit ein Verlust von sieben Prozent zu Buche, der erste Rückschlag seit Mitte Mai. Diese Abkühlung war aus Sicht vieler Marktbeobachter längst überfällig. Doch nun stellt sich die Frage, ob es sich um einen neuen Trend oder eher einen temporären Rücksetzer handelt. Dies hängt sicher auch vom großen Verfall an den Terminbörsen ab, der Ende der neuen Woche ansteht.
Gleitender 200-Tage-Durchschnitt unterschritten
Charttechnisch etwas bedenklich stimmt, dass der DAX zuletzt unter seine 200-Tage-Linie gerutscht war - was oft weitere Kursverluste nach sich zieht. Denkbar ist in den kommenden Tagen jedoch auch eine Seitwärts-Pendelbewegung auf dem erreichten Niveau.
Der MDAX der mittelgroßen deutschen Börsenwerte ging bei 25.477 Punkten mit einem Wochenminus von 6,3 Prozent ins Wochenende.
Für neue Unsicherheit am Aktienmarkt sorgte, dass US-Notenbank-Chef Jerome Powell einen sehr unsicheren Weg für die Wirtschaft in Aussicht stellte. Dies passte wenig zu den Hoffnungen der Aktionäre auf eine rasante Konjunkturerholung. Auch an der Wall Street kam es daraufhin in der abgelaufenen Woche zu einer panikartigen Kehrtwende.
Corona-Krise abgehakt?
Am deutschen Aktienmarkt macht derzeit das Stichwort vom Realitäts-Check die Runde, nachdem die Kurse in den vergangenen Wochen in ihrem Aufwärtstrend der Realwirtschaft weit vorweg gelaufen waren. So hatte sich etwa der DAX von seinem Corona-Tief Mitte März bei 8.255 Punkten bis zum vorläufigen Verlaufshoch am vergangenen Montag bei 12.913 Punkten zeitweise um etwa 56 Prozent nach oben abgesetzt.
Dabei hatten die Investoren auf eine steile, V-förmige Erholung von der schweren Corona-Rezession gesetzt, und damit quasi den Optimalfall angenommen. Berenberg-Chefökonom Holger Schmieding weist zwar darauf hin, dass die Mehrheit der jüngsten Konjunkturdaten aus den Industrieländern tatsächlich auf einen Aufschwung im Mai nach dem Tiefpunkt im Vormonat hindeute. Die Anleger müssten sich allerdings darauf einstellen, dass nach der schrittweisen Lockerung die Konsumausgaben und die Investitionen der Unternehmen noch eine Zeitlang dem Angebot hinterherhinken dürften.
Abwärtspotenzial begrenzt
Dennoch sind nach Einschätzung des Marktbeobachters Andreas Büchler von Index-Radar die jüngsten Einbußen im DAX noch kein absolutes Negativ-Signal. Allerspätestens bei der Marke um 10.700/800 Punkten sollte die aktuelle Konsolidierung in einem "gesunden" Aufwärtstrend" wieder anhalten, glaubt der Chartexperte. Eigentlich warte bereits bei 11.200 Punkte eine solide Auffangmarke. Dort verläuft auch ein kurzfristiger Aufwärtstrend (siehe Chart).
Die Agenda für die kommende Woche ist zwar gut bestückt, allerdings liegen mit den Sitzungen von Europäischer Zentralbank (EZB) und Fed sowie dem US-Arbeitsmarktbericht wohl die wichtigsten Impulsbringer bereits hinter den Börsianern. Gerechnet wird mit einer Fortsetzung anziehender Wirtschaftsindikatoren wie etwa dem ZEW-Index am Dienstag und US-Indikatoren wie etwa dem Philly Fed am Donnerstag.
Verfallstag an Terminbörsen im Fokus - und Wirecard
Ebenfalls am Dienstag fällt die Bank of Japan ihren Zinsentscheid, die britische Notenbank folgt zwei Tage später. Chefanlagestratege Chris Oliver-Schickentanz von der Commerzbank rechnet damit, dass die britischen Währungshüter zudem die Obergrenze für ihre Anleihekäufe um weitere 100 Milliarden Pfund erhöhen werden. Zudem beginnt der Gipfel, auf dem die EU-Staats- und Regierungschefs erstmals den gemeinsamen 750 Milliarden Euro schweren Corona-Rettungsfonds diskutieren. Am Freitag dann dürfte der 'Hexensabbatt' für kurzfristige Ausschläge in beide Richtungen sorgen.
Auf Unternehmensseite will am Donnerstag dann endlich der Zahlungsabwickler Wirecard detaillierte Jahreszahlen für 2019 vorstellen. Der wegen angeblicher Bilanzmanipulationen unter Druck stehende Zahlungsdienstleister hatte die Veröffentlichung mehrfach verschoben, weil der Wirtschaftsprüfer EY nicht alle Prüfungshandlungen abschließen konnte. (Mit Material von dpa-AFX)