Folgt beim Softwarehersteller von Systemen für den öffentlichen Nahverkehr nach dem starken Jahr 2012 auch ein gutes 2013? Im Interview mit dem AKTIONÄR erläuterte IVU-Finanzchef Frank Kochanski die Vorzüge der IVU-Produkte und was Anleger 2013 von den Berlinern erwarten können.
Obwohl der Berliner Softwarehersteller von Systemen für den öffentlichen Verkehr, die IVU Traffic Technologies AG, für das Jahr 2012 ein überdurchschnittlich gutes Ergebnis vorlegte, hat der Kurs der Aktie bisher nur mäßig" auf die Veröffentlichung des Geschäftsberichtes reagiert. Wir wollten vom CFO Frank Kochanski wissen, welche Erklärungen er dafür hat, dass der Kurs trotz günstiger Bewertung bisher kaum über die 1,70 Euro hinausgekommen ist.
DER AKTIONÄR: Herr Kochanski, was war der Grund dafür, dass sich die IVU gerade im vergangenen Jahr auf einmal so gut entwickelt hat?
Frank Kochanski: Die IVU entwickelt sich seit nunmehr fünf Jahren anhaltend solide. Umsatz und Rohergebnis wachsen kontinuierlich an. Der Umsatzsprung um elf Prozent 2012 ist aber vor allem dadurch zu begründen, dass wir in punkto Standardisierung und Effizienz immer besser werden. Große Projekte lassen sich wesentlich schneller umsetzen und auch abrechnen wie beispielsweise in London und Italien.
Seit wann ist die IVU.suite am Markt richtig angekommen und seit wann ist sie international ein Erfolg?
Unsere Produkte waren von Beginn an international erfolgreich. Nur nach außen war die Bandbreite unserer Systemwelt damals noch nicht sichtbar. Deshalb haben wir 2008 unsere Produktpalette zur IVU.suite zusammengeführt. Nicht nur namentlich, auch systemseitig arbeiten wir seither kontinuierlich daran, die Durchgängigkeit unserer Systeme weiter zu verbessern. So entwickelte sich die IVU.suite zu einer einheitlichen, übergreifenden Produktpalette, die sich in der Branche bereits sehr gut etabliert hat.
Die IVU rühmt sich damit, dass es die Eigenschaften der IVU.suite ermöglichen, ganze Systempaletten schneller als marktüblich einzuführen. Worauf begründen sich diese kurzen Projektlaufzeiten? Sind diese schon ausgereizt oder sind weitere Verkürzungen möglich?
Die kurzen Projektlaufzeiten gründen vor allem auf dem hohen Standardisierungsgrad unserer Produktpalette. Unsere Systeme lassen sich mit ihren Standard-Schnittstellen nahtlos in vorhandene Systemlandschaften integrieren und durch diverse Konfigurationsmöglichkeiten einfach an die individuellen Kundenbedürfnisse anpassen. Das spart viel Zeit bei der Implementierung. Zudem beteiligt sich die IVU an diversen Forschungsprojekten, die diese Standardisierung im ÖPNV weiter vorantreiben und so wird auch die IVU.suite kontinuierlich angepasst und optimiert.
Sehen Sie schon vergleichbare Prestige-Aufträge wie in London am Horizont, wo die IVU 8.500 Busse erfolgreich in ein Realtime-Auskunftssystem einbinden konnte?
Unser neuer Auftrag für die vietnamesische Staatsbahn ist ein mindestens ebenso prestigeträchtiges Projekt. Und auch die Einführung der IVU.suite in Budapest wird uns eine gute Referenz auf dem Markt sein. Beide Projekte werden in den kommenden Jahren umgesetzt. Ich denke, die Chancen stehen gut, dass weitere internationale Aufträge folgen.
Welche neuen Staatsbahnen stehen bei Ihnen auf der Akquisitionsliste und was sind künftig die Akquisitionsschwerpunkte der IVU?
Mit IVU.rail haben wir eine bahnspezifische Lösung entwickelt, die in ihrer Leistungsfähigkeit auf dem Markt einzigartig ist und bereits sieben Staatsbahnen überzeugt hat. Diesen Wettbewerbsvorteil werden wir natürlich nutzen und einen großen Teil unserer Vertriebsaktivitäten auf den Schienenverkehr und damit vor allem die europäischen Staatsbahnen konzentrieren. Weitere Akquisitionsschwerpunkte bleiben öffentliche Verkehrsbetriebe im asiatisch-pazifischen Raum und Südamerika.
Erklären Sie unseren Lesern bitte mit einfachen Worten, was es Neues im Bereich Optimierung gibt und worin Sie hier den Wettbewerbsvorteil der IVU sehen?
Mit den IVU.suite-Updates 12 und 13 haben wir vor allem in der Dienstoptimierung weitere große Schritte gemacht. Hier konnten wir beispielsweise die Leistungsstärke der Algorithmen zur Wegesuche, sprich wenn ein Fahrer im Dienst z.B. Fahrzeug und Standort wechseln muss, deutlich erhöhen. Unser Wissen auf dem Gebiet der Optimierung bauen wir durch die enge Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen Einrichtungen wie dem Konrad-Zuse-Zentrum für Informationstechnik Berlin (ZIB) kontinuierlich weiter aus und setzen es in unserer Software um. Deshalb sind und bleiben wir so gut auf diesem Gebiet.
Welche Entwicklungsschwerpunkte setzt die IVU in den nächsten drei bis fünf Jahren, um sich von ihren Wettbewerbern abzusetzen?
Wie schon in den vergangenen Jahren werden wir unsere IVU.suite stetig weiterentwickeln, neue Technologien einbinden, Lücken schließen und auch die Standardisierung weiter vorantreiben, um Projekte noch effizienter und schneller umsetzen zu können. Zudem werden wir unsere Bahnlösung IVU.rail zusammen mit weltweit führenden Eisenbahnunternehmen weiter ausbauen und mit unseren wissenschaftlichen Partnern an der Verbesserung der Algorithmen zur Optimierung forschen. Ich denke, wir haben einen erfolgversprechenden Weg eingeschlagen.
Mit der Möglichkeit die ganzen Investitionen des laufenden Jahres selbst aus eigener Kraft finanzieren zu können, sind Sie besser aufgestellt als manch anderes Unternehmen der Branche. Warum reizen Sie die gute Basisposition durch einen Fremdkapital-Leverage nicht stärker aus?
Unser positives und erfolgreiches Wachstum erfolgt rein organisch, d.h. wir haben unser Umsatzwachstum selbst vorangetrieben. Dies ist kein Dogma für uns, welches für alle Ewigkeit so bleiben muss. Sollte uns eine interessante Möglichkeit geboten werden, werden wir diese prüfen und gegebenenfalls nutzen. Und wenn sich das dann noch hebeln lässt, werden wir auch von dieser Möglichkeit Gebrauch machen.
Normalerweise gibt es in der Softwarebranche eine einfache Regel, dass ein Käufer mindestens den einfachen bis eineinhalbfachen Umsatz der zu übernehmenden Gesellschaft bezahlt, dies würde für die IVU einen Preis in der Größenordnung zwischen 44 und 66 Millionen Euro, verteilt auf die Anzahl der Aktien von 17,719 Mio. Stück, bedeuten. Sehen Sie irgendwelche Übernehmer am Horizont?
Nein. Softwaresysteme für den öffentlichen Verkehr sind Nischenprodukte. Hier gibt es nur wenige Wettbewerber und großes Marktpotenzial. Die IVU zählt neben der Init AG und der Trapeze Group zu den drei großen Systemherstellern, die wirklich alle Prozesse im öffentlichen Verkehr mit ihren Produkten abbilden und durchgängige Lösungen bieten können.
Wie wollen Sie intern den Unternehmenswert weiter steigern?
Indem wir unseren erfolgreichen Kurs - stetiges, nachhaltiges Wachstum bei Umsatz und Ergebnis - fortführen.
Besten Dank für das Interview.