Prof. Jürgen Schmidhuber gilt als Vater der modernen künstlichen Intelligenz (KI). Die tiefen neuronalen Netzwerke seiner Forschungsgruppen an der TU München und am IDSIA revolutionierten das maschinelle Lernen und die KI, und sind nun Milliarden von Nutzern zugänglich – durch Google, Apple, Microsoft, IBM, Baidu oder Amazon. DER AKTIONÄR hat mit ihm gesprochen
Wo ist die künstliche Intelligenz schon jetzt im Einsatz?
Google, Apple, Amazon und Baidu verwenden heute alle in massiver Weise ein “Deep Learning”-Verfahren, das mein Team zwischen 1995 und 2007 in München und in der Schweiz entwickelt hat, das etwa Googles Spracherkennung stark verbessert hat und nun Milliarden Nutzern zugänglich ist. Auch auf ihrem Smartphone.
Das ist eine Kombination zweier Methoden meiner Forschungsgruppen an der TU München und am IDSIA: Long short-term memory (LSTM), rückgekoppelte NN und Connectionist Temporal Classification (CTC).
Ist ein Ende der Entwicklung absehbar – oder stehen wir erst am Beginn?
Letzteres. Künstliche Intelligenzen (KIs) werden fast alles erlernen, was Menschen können – und noch viel mehr. Ihre neuronalen Netze (NN) werden aus Erfahrung klüger und alle zehn Jahre hundertmal mächtiger pro Euro.
Was ist der Clou an Deep Learning?
Da geht es um tiefe künstliche NN, inspiriert durch das menschliche Gehirn. Letzteres hat im Kortex gut 10 Milliarden Neuronen, die untereinander gut 100.000 Milliarden Verbindungen aufweisen. Jede Verbindung hat eine bestimmte Stärke oder Gewichtung. Diese verändert sich beim Lernen. Ähnliches gilt für unsere künstlichen neuronalen Netze.
Das heißt, Roboter lernen wie Menschen?
Ja, manche unserer neugierigen KIs setzen sich selbst Ziele, um klüger zu werden. Sie spielen wie Babys mit Spielzeugen und suchen sich zunächst leichte Aufgaben, später schwierigere. Für Fortschritte gibt es Belohnungssignale, sozusagen künstliche Freude, die motivieren, weiter zu lernen.