Investoren reagierten enttäuscht. Analysten zeigten sich skeptisch. Die Aktie ist tief gefallen. Die Übernahmepläne von Infineon kamen am Markt nicht wirklich gut an. Zu teuer, lautete der Tenor auf dem Parkett, vor allem in der gegenwärtigen Marktphase. Infineon-Chef Reinhard Ploss hält dagegen und rechtfertigt den kostspieligen Deal – und dürfte am Ende Recht behalten.
Auf dem Weg nach oben
In den vergangenen Jahren hatte Infineon vor allem auf Wachstum aus eigener Kraft gesetzt und dabei viel Geld in den Ausbau eines Werks in Österreich gesteckt. Nun will der Chiphersteller für neun Milliarden Euro den US-Konkurrenten Cypress Semiconductor übernehmen. Durch den Zukauf würde der DAX-Konzern weltweit zur Nummer acht unter den Chip-Herstellern aufsteigen – und die Nummer eins bei Chips für den Automobilmarkt werden.
Richtungsweisender Schritt
„Die geplante Übernahme von Cypress ist ein großer und richtungsweisender Schritt bei der strategischen Weiterentwicklung von Infineon“, sagt Vorstand Reinhard Ploss. Dem Vernehmen nach gab es nur wenig geeignete Objekte. Mit den Amerikanern erhalten die Münchner Zugriff auf wichtige Kommunikationschips für die vernetzte Welt und auf stark gefragte Mikrocontroller – und spart sich damit die Kosten und die Zeit, diese selber zu entwickeln. Am Ende dürfte der Konzernchef seinem Ziel näherkommen, komplette Systeme aus einer Hand anzubieten, statt nur einzelne Produkte im Programm zu haben.
"Die geplante Übernahme von Cypress ist ein großer und richtungsweisender Schritt bei der strategischen Weiterentwicklung von Infineon."
Vorstand ist überzeugt
Die Technologieportfolios beider Gesellschaften ergänzten sich und eröffnen großes Potenzial in wachstumsstarken Zielmärkten Automotive, Industrie und Internet der Dinge (IoT), argumentiert der Infineon-Vorstand. Kritiker halten dagegen und bemängeln fehlende Einsparmöglichkeiten, eben weil sich die Konzerne so gut ergänzen. „Wir verantworten die Zukunft der Firma. Da muss man auch mal einen Schritt tun, der Gegenwind hervorruft“, wird der Konzernchef zitiert.
Klare Ziele
Nach der Transaktion peilt Infineon ein Umsatzwachstum von neun Prozent, eine Segmentergebnis-Marge von 19 Prozent und eine Investitionsquote von 13 Prozent an. Der Konzern erwartet zudem Kostensynergien von 180 Millionen Euro.
Die ersten Beiträge werden aber erst im Jahr 2020 erwartet. Die volle Wirkung dürfte sich erst im Jahr 2022 und darüber hinaus entfalten. Dazu kommen erhebliche Umsatzsynergien von 1,0 bis 1,5 Milliarden Euro, die sich aber auch erst zwischen 2025 und 2028 einstellen dürften. Keine leichte Aufgabe, in Zeiten wie diesen Investoren und Analysten von Wachstumschancen in der fernen Zukunft zu überzeugen.
Gute Erfahrungen
Dabei hat Ploss schon bewiesen, dass er Übernahmen in den USA kann. Als der Chiphersteller 2015 International Rectifier aus Kalifornien für drei Milliarden Dollar übernahm, wurde zunächst auch der hohe Preis beklagt und der Kurs fiel. Doch die Integration verlief erfolgreich, der Infineon-Kurs verdoppelte sich in der Spitze.
DER AKTIONÄR hält an seinem Fazit fest: Die Synergie-Prognose vom Vorstand klingt auf den ersten Blick realistisch. Winken die US-Behörden den Deal durch und geht der Übernahmeplan auf, dürfte der Konzern mittelfristig operativ profitieren – und die Aktie deutlich höher notieren. Anleger mit Weitblick können das aktuelle Niveau daher weiter zum Auf- oder Ausbau einer Position nutzen.
Hinweis nach §34 WPHG zur Begründung möglicher Interessenkonflikte: Akien oder Derivate, die in diesem Artikel besprochen / genannt werden, befinden sich im "Real-Depot" von DER AKTIONÄR.