Konnte sich Gold gestern während des europäischen Handels noch behaupten, geriet das Edelmetall nach Eröffnung der US-Börsen deutlich unter Druck. Der Goldpreis rutschte nicht nur unter die Unterstützung bei 1.835 Dollar, sondern konnte auch die 1.815 Dollar zum Handelsende nicht verteidigen. Am Ende schafften es die Bullen noch mit Mühe und Not die runde Marke von 1.800 Dollar zu halten. Die allgemeine Lesart: Die erneute Ernennung von Jerome Powell zum Vorsitzenden der US-Notenbank sei schuld gewesen.
Zuvor hatte US-Präsident Joe Biden den jetzigen Vorsitzenden Jerome Powell in seinem Amt als Vorsitzender der Federal Reserve bestätigt. Damit steht Powell der Notenbank für weitere vier Jahre vor. Lael Brainard, die ebenfalls als neue Vorsitzende gehandelt worden war, wird Vize-Vorsitzende. Wäre Brainard zur Vorsitzende gewählt worden, so wären die Zinsen wohl noch länger niedrig geblieben – das zumindest war das, womit der Markt gerechnet hat. Powell muss jetzt zwar noch vom Senat bestätigt werden. Da dieser aber – wenn auch knapp – von den Demokraten bestimmt wird, dürfte das eher eine Formsache sein. Als Reaktion auf die Powell-Wiederernennung sind sowohl der Dollar als auch die Renditen der US-Staatsanleihen gestiegen. Die Verlierer waren die Edelmetalle als auch die Hightech-Werte.
Bisweilen reagieren Börsen relativ emotional. Das ist in diesem Fall geschehen. Die Fed-Politik wird sich kaum ändern, egal, wer den Vorsitz hat. Auch unter Powell waren die vergangenen Jahre nicht gerade durch ein Zinserhöhungsfeuerwerk gekennzeichnet. Zudem entscheidet Powell nicht alleine über den Kurs der Zinsen in den USA. Anders ausgedrückt: Auch für die Zukunft dürfen Anleger mit einer eher vorsichtigen Notenbank rechnen, die sich langsam an Zinsanhebungen herantasten wird. Wer sich die vergangenen Jahre seit der Finanzkrise ansieht, der erkennt: Jeder Versuch aus der ultralockeren Geldpolitik auszusteigen, hat sich rasch ins Gegenteil verkehrt. Die Chancen stehen gut, dass es auch dieses Mal so sein wird.