Während E.on auf das Wiederanfahren zweier alter Atommeiler verzichtet, hat sich Jürgen Großmann mit deutlichen Worten zur neuen deutschen Energiepolitik geäußert. Der RWE-Chef sieht Deutschland vor der De-Industrialisierung und die Gefahr einer feindlichen Übernahme.
Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung hat Großmann neue Klagen wegen des Atomausstiegs angekündigt. "Die Brennelementesteuer ist aus verfassungsrechtlicher und EU-rechtlicher Sicht bedenklich und angreifbar", so der RWE-Chef. Es würden deutlich mehr Gründe für eine Klage sprechen als dagegen. Schadenersatzforderungen wären möglich, da dem Konzern durch die neue Energiepolitik Milliardeneinnahmen entgingen.
Im feindlichen Visier
Die Gefahr von Stromausfällen sei real, wenn man den Ausstieg nicht flexibler regele. Mit Sorge betrachtet Großmann die Wertentwicklung der RWE-Aktie. Wenn es so weitergehe, drohe sogar eine feindliche Übernahme. "Der Wertverlust unserer Aktie macht mir Sorge. Die Gefahr einer feindlichen Übernahme wächst", so Großmann. Zumal der Konsolidierungsdruck in Europa weiter steige.
Ganze Industriezweige in Gefahr
Die Warnung vor den wirtschaftlichen Folgen blieb ebenfalls nicht aus. Deutschland drohe laut Großmann eine De-Industrialisierung. "Wenn die Politik weiter so konsequent die Zerstückelung der industriellen Energieerzeugung betreibt, werden wir bald auf ganze Industriezweige verzichten müssen. Konzerne wie BASF oder ThyssenKrupp wird es dann hier nicht mehr geben", sagte Großmann weiter.
Isar I und Unterweser bleiben vom Netz
Während der RWE-Chef auf Konfrontationskurs geht, scheint E.on die angespannte Debatte etwas entschärfen zu wollen. Der Branchenprimus will die Atomkraftwerke Isar I und Unterweser nach Ende des Atommoratoriums freiwillig nicht wieder anfahren, obwohl dies rechtlich möglich wäre, da das neue Atomgesetz frühestens Mitte Juli in Kraft tritt.
Belastungsfaktoren bleiben
Die Worte Jürgen Großmanns überraschen zwar in ihrer Deutlichkeit, seine Argumente sind aber nicht neu. Die Anleger zeigen sich daher auch wenig beeindruckt. Nach den starken Vortagen sind beide Versorgeraktien im frühen Handel im Minus. Die zu erwartenden Prognosesenkungen und die offenen Erfolgsaussichten der Klagen bleiben Belastungsfaktoren. Potenzielle Großinvestoren dürften diese offenen Fragen abschrecken. Auch charttechnisch ist noch keine nachhaltige Trendwende zu erkennen. Sowohl bei E.on als auch bei RWE drängt sich weiter kein Einstieg auf.