Die abgelaufene Handelswoche kann man aus Sicht deutscher Anleger getrost vergessen. Der DAX büßte rund 600 Punkte ein - ein Minus von circa fünf Prozent. Aus technischer Sicht ist es schon fünf Minuten nach zwölf. Es drohen weitere Kursverlsute. Ulrich Stephan, Chefanlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank, warnt allerdings davor, jetzt in Panik zu verfallen. Seine Einschätzung zur aktuellen Lage ...
Déjà-vu
"Die Situation an den Märkten erinnert mich an den ersten Anstieg zehnjähriger US-Zinsen im Februar" sagt Stephan. "Daher empfehle ich, Ruhe zu bewahren. Denn an den Fundamentaldaten und den Risiken hat sich zuletzt wenig geändert."
Insgesamt präsentiere sich die US-Konjunktur sehr robust. "Die Fed Atlanta schätzt das annualisierte BIP-Wachstum im dritten Quartal auf 4,2 Prozent, nachdem das Wachstum im Vorquartal über vier Prozent betragen hatte." Damit und mit dem starken Arbeitsmarkt dürfte auch die Inflation nochmals steigen und die Fed den Leitzins weiter anheben, so der Experte. "Ich erschrecke mich deswegen nicht, sondern halte die Entwicklung für gesund!"
Dass der Dollar zuletzt wieder etwas schwächer tendierte, sei dabei weniger über die Zinsseite zu erklären. "Möglicherweise geht die Risikoscheu der Investoren etwas zurück und die Weltwährung ist weniger gefragt. Auch der Schweizer Franken gab zum Euro nach. Das dürfte zumindest die Entwicklung der Schwellenländerwährungen widerspiegeln." Diese zögen gegen den Greenback überwiegend an, signalisierten also keine Ausweitung der Sorge um eine dortige Krise.
Banken sind interessant
Laut Stephan hätten viele europäische Investoren aus Wachstumswerten wie Technologie in Papiere mit günstiger Bewertung und defensive Dividendentitel umgeschichtet. "Diese Risk-off-Bewegung zeigt die aus meiner Sicht übertriebene Marktreaktion. Denn das Kurs-Gewinn-Verhältnis des Stoxx 600 liegt mit 13,1 unter dem Schnitt der letzten fünf Jahre." Grund seien steigende Gewinne, aber auch Kursrückgänge: Der italienische FTSE MIB etwa sei mit minus 21,1 Prozent im Bärenmarkt.
"Chancen könnten weiterhin Minenwerte bieten, die günstig bewertet scheinen und von der Nachfrage Chinas profitieren dürften", so der Aktienstratege. "Auch Banken scheinen beim möglichen Auflösen der politischen Risiken und steigenden Kapitalmarktzinsen zunehmend interessant." Zudem dürften Industriewerte von einer Entspannung im Handelsstreit profitieren.
Wie geht es weiter?
Stephan verweist darauf, dass technische Effekte den Abverkauf wohl verstärkt hätten. "Denn automatisierte Handelssysteme verkaufen bei Kursverlusten häufig, ohne die wirtschaftlichen Daten neu zu analysieren." Zudem dürften viele US-Unternehmen vor der Berichtssaison keine eigenen Aktien zurückkaufen.
Stephan erwartet für den S&P 500 im Schnitt Gewinnsteigerungen von knapp 26 Prozent zum Vorjahresquartal, für den Stoxx 600 mit plus zehn Prozent. "Einige Gewinnwarnungen trübten die Stimmung der letzten Tage – insbesondere bei Tech-Aktien. Daher ist der 25. Oktober mit Berichten von Amazon, Microsoft und Alphabet sicher entscheidend für die Märkte."
Keine Panik!
Der Rat des Strategen: "Investoren sollten jetzt nicht in Panik verfallen. Jetzt könnte sogar ein günstiger Zeitpunkt für einen Einstieg bei Wertpapieren sein." Bei ihrer Geldanlageentscheidung sollten Anleger jedoch langfristig planen, so der Experte.