Ein kurzes Zwischenhoch: Der DAX startete am Donnerstag stark, gab seine Gewinne jedoch bis zum Handelsschluss weitgehend ab. Trotz der Aussetzung der US-Zölle bleiben Anleger vorsichtig. Einzelwerte wie Infineon, Siemens und Deutsche Bank legten dabei kräftig zu, während Volkswagen enttäuschte.
Ein Befreiungsschlag war es nicht – eher ein kurzes Aufatmen: Die überraschende Zoll-Pause der USA sorgte am Donnerstag zunächst für kräftigen Rückenwind an den europäischen Börsen. Der DAX sprang zeitweise um mehr als acht Prozent auf über 21.300 Punkte, schloss jedoch deutlich darunter mit einem Tagesgewinn von 4,53 Prozent bei 20.562 Punkten. Damit endete der Handel am Tagestief.
Auch der MDAX gab im Verlauf einen Teil seiner Aufschläge ab, konnte aber noch 3,37 Prozent auf 25.703 Punkte gutmachen. Der EuroStoxx 50 zog um 4,3 Prozent auf 4.818 Punkte an. Der europäische Stoxx 600 beendete den Tag mit einem Anstieg von 3,7 Prozent – der beste Handelstag seit drei Jahren.
Auslöser der Kursrally war die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, die jüngst verhängten Sonderzölle auf Importe aus zahlreichen Ländern für 90 Tage auszusetzen. Während dieses Zeitraums gilt nun ein pauschaler Zollsatz von zehn Prozent. Die EU-Kommission stoppte daraufhin vorerst ihre geplanten Gegenzölle. China hingegen blieb von der Maßnahme ausgeschlossen – dort wurden die Strafzölle sogar noch verschärft.
Die Märkte reagierten erleichtert – aber nicht überzeugt. Experten wie der charttechnische Analyst Marcel Mußler warnten vor überzogenen Erwartungen: Der Konflikt sei nicht gelöst, sondern nur vertagt. „Trump bleibt unberechenbar – und das Vertrauen ist langfristig beschädigt“, so Mußler.
An der Wall Street kippte die Stimmung bereits wieder. Der Dow Jones verlor zum europäischen Handelsschluss rund drei Prozent, der Nasdaq 100 sackte um über vier Prozent ab. Die Erholung vom Vortag – angetrieben durch die Zollnachricht – erwies sich damit als wenig tragfähig. Auch Analystin Lori Calvasina von RBC sieht in der Entwicklung keinen klaren Trendwechsel.
Im DAX griffen Anleger vor allem bei stark unter Druck geratenen Titeln zu. Infineon legten um 5,9 Prozent zu, Siemens stiegen um 5,5 Prozent. Bei Kion stand sogar ein Plus von 8 Prozent auf der Kurstafel – die Aktie machte damit Verluste der Vorwoche wett. Auch Finanzwerte zogen an: Die Deutsche Bank verbesserte sich um 7,2 Prozent, ihre Fondstochter DWS sogar um 7,8 Prozent.
Im MDAX gehörten Wacker Chemie mit einem Anstieg von 5,4 Prozent zu den Tagesgewinnern. Im SDAX machten Elmos Semiconductor mit einem Plus von 7,8 Prozent auf sich aufmerksam.
Ein klarer Ausreißer war Volkswagen: Die Aktie legte nach Vorlage vorläufiger Quartalszahlen lediglich 1,7 Prozent zu. Der Autobauer hatte die Erwartungen verfehlt, hält aber an seinen Jahreszielen fest – das reichte dem Markt nicht für einen nachhaltig positiven Impuls.
Trotz der kräftigen Gegenbewegung bleibt die Lage an den Finanzmärkten angespannt. Der Handelskonflikt ist nicht vom Tisch, sondern lediglich aufgeschoben. Anleger bleiben nervös – das zeigte auch die dynamische Umkehr an der Wall Street. Für den DAX war es ein versöhnlicher, aber kein überzeugender Tag.
Enthält Material von dpa-AFX