Damit hatte wohl niemand gerechnet. Der ehemalige Chef der Bundesbank, Jens Weidmann, soll ab nächstem Mai Vorsitzender des Commerzbank-Aufsichtsrates werden. Nach einer Meldung vom vergangenen Samstag will der amtierende Chef-Kontrolleur aus Altersgründen nicht mehr antreten. Weidmann ist zwar kein gelernter Banker, aber er gilt als sehr gut vernetzt.
Die Commerzbank bekommt den vierten Aufsichtsratschef binnen drei Jahren - und dieses Mal ist es ein besonders prominenter: Der ehemalige Bundesbank-Präsident Jens Weidmann (54) soll nach der Hauptversammlung am 31. Mai 2023 den Posten des Chefkontrolleurs übernehmen. Der erst seit April 2021 amtierende Aufsichtsratsvorsitzende Helmut Gottschalk (71) habe sich aus Altersgründen entschieden, dann nicht mehr zu kandidieren und in Abstimmung mit dem Bundesfinanzministerium Weidmann als Nachfolger vorgeschlagen, teilte der Frankfurter MDAX-Konzern überraschend am Samstagabend mit.
Weidmann wirkte an Staatseinstieg mit
Weidmann kennt die Commerzbank aus schwierigen Zeiten: Als das Institut sich in der Finanzkrise 2008/2009 mit der Dresdner-Bank-Übernahme übernommen hatte und mit Steuermilliarden vor dem Kollaps bewahrt werden musste, war Weidmann als einer der führenden Berater der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Leiter der Abteilung Wirtschafts- und Finanzpolitik im Kanzleramt. Der gebürtige Solinger gehörte damit zu der Gruppe von Spitzenbeamten, die Rettungspakete für strauchelnde Banken schnürten. Seit der Finanzkrise ist der Bund größter Einzelaktionär der Commerzbank mit aktuell 15,6 Prozent Anteil.
Im Alter von 43 Jahren übernahm Weidmann im Mai 2011 als damals jüngster Bundesbank-Präsident aller Zeiten den Posten bei der Notenbank in Frankfurt von Axel Weber, der im Streit über die Anti-Krisenpolitik der Europäischen Zentralban hingeworfen hatte. Auch Weidmann warnte als Mitglied des EZB-Rates stets vor einer zu ausufernden Geldpolitik und sah die milliardenschweren Anleihenkäufe der EZB kritisch. Viele sahen Weidmann als einsamen Rufer.
Konstanz gefragt
Für Weidmann spricht, dass er sowohl in Frankfurt als auch im politischen Berlin bestens vernetzt ist. Und er könnte an der Aufsichtsratsspitze der Commerzbank wieder für mehr Konstanz sorgen: Im Sommer 2020 hatte der damalige Chefkontrolleur Stefan Schmittmann nach deutlicher Kritik des US-Finanzinvestors Cerberus hingeschmissen. Es folgte der einstige Landesbanker Hans-Jörg Vetter, der jedoch aus gesundheitlichen Gründen das Amt schon im Frühjahr 2021 wieder abgeben musste. Als Nachfolger verpflichtete die Commerzbank überraschend den Genossenschaftsbanker Gottschalk.
Gerade in unsicheren Zeiten – bei der Commerzbank kommt noch die laufende Sanierung hinzu – ist es wichtig personelle Kontinuität an der Spitze zu haben. Mit dem bestens vernetzten Weidmann könnte endlich Ruhe einkehren. Er könnte genau der richtige Mann sein, um einen Ausstieg des Bundes zu begleiten.
Die Aktie ist eine laufende Empfehlung, Anleger greifen an schwachen Tagen zu.
Mit Material von dpa-AFX.
Hinweis auf Interessenkonflikte:
Der Vorstandsvorsitzende und Mehrheitsinhaber der Herausgeberin Börsenmedien AG, Herr Bernd Förtsch, ist unmittelbar und mittelbar Positionen über die in der Publikation angesprochenen nachfolgenden Finanzinstrumente oder hierauf bezogene Derivate eingegangen, die von der durch die Publikation etwaig resultierenden Kursentwicklung profitieren können: Commerzbank.
Aktien der Commerzbank befinden sich in einem Real-Depot der Börsenmedien AG.