Scout24 will mit Dienstleistungen über das reine Anzeigengeschäft hinaus in den kommenden Jahren weiter wachsen. Die auf dem Kapitalmarkttag in der letzten Woche präsentierten mittelfristigen Planungen kam in einer ersten Reaktion zwar nicht wirklich gut an. Doch ein zweiter Blick sollte sich lohnen.
Im Tagesgeschäft setzt der Konzern dazu künftig auf verbesserte Vermarktungsmöglichkeiten für Makler, die Erweiterung des Geschäfts mit der Vermittlung von Baufinanzierungen oder die beschleunigte Einführung von Mietverwaltungslösungen setzen.
Mit den Produkten, die der Konzern verstärkt ausrolle, werde künftig ein deutlich größerer Markt adressiert, hieß es auf dem gestrigen Kapitalmarkttag. Mögliche Zukäufe werde das Unternehmen mit dem Blick auf Wertzuwachs ebenfalls tätigen. Dazu will der Konzern rund eine Milliarde Euro bereithalten.
Am Ende soll sich das Wachstum im kommenden Jahr im Vergleich zu 2021 beschleunigen, der Umsatz soll um elf bis zwölf Prozent steigen. Das Ergebnis aus gewöhnlicher Geschäftstätigkeit vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (EBITDA) soll dabei um sechs bis acht Prozent zulegen.
Zum Vergleich: Für das laufende Jahr ist ein Anstieg von rund neun Prozent eingeplant. Erst kürzlich hatte der Konzern seine Margenprognose etwas gesenkt, da die jüngsten Zukäufe wie vermiete.de und Propstack bisher noch nicht so profitabel sind.
Auch über das Jahr 2022 hinaus will der Online-Immobilienmarktplatz kräftig wachsen: So rechnet der Vorstand bis 2026 mit einem durchschnittlichen Wachstum von zwölf Prozent pro Jahr. Beim operativen Ergebnis sollen es pro Jahr plus 13 Prozent Zuwachs sein, wobei Scout24 für 2023 mit etwas mehr rechnet und 13 bis 15 Prozent Ergebnisplus einplant.
Analysten sehen für die Aktie daher weiter Luft nach oben. Das durchschnittliche Kursziel aller Experten beträgt 72,54 Euro und liegt damit rund 30 Prozent über dem aktuellen Niveau. JPMorgan hat sein Kursziel mit 76 Euro bestätigt. Der operative Ergebnisausblick für 2022 sei etwas schwach, so Analyst Marcus Diebel. Die mittelfristigen Ziele seien aber ermutigend. Die Anleger bekämen mit der Aktie qualitativ gutes Wachstum zum attraktiven Preis, heißt es bei der UBS.
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RBC-Analystin Wassachon Udomsilpahat sieht die Aktie weiter bei 81 Euro fair bewertet. Sie sprach in einer ersten Reaktion von einer "ermutigenden Präsentation" des Online-Immobilienmarktplatzes, was die Umsatzwachstumschancen betreffe. Sie hält zudem die beschleunigten Investitionen für 2022 für gerechtfertigt. Den aktuell kräftigen Kursrückgang der Aktie sieht sie als "Kaufgelegenheit". Der Markt habe wohl nur die nun sinkende Konsensschätzung für den operativen Gewinn eingepreist, aber nicht die möglichen mittelfristigen Umsatz- und EBITDA-Verbesserungen.
Marius Fuhrberg von Warburg Research bleibt bei seiner Kaufempfehlung mit Ziel 72 Euro. Der künftige Wachstumspfad wurde auf der Veranstaltung aus seiner Sicht gut erläutert, und mit der breiteren Diversifizierung des Geschäfts wird die Gesellschaft unabhängiger von reinen Preiserhöhungen für die Vermittler. Natürlich führt dieser Schritt kurzfristig zu höheren Marketingkosten, dürfte das Unternehmen aber langfristig robuster und attraktiver machen, so Fuhrberg. Daher bleiben Schätzungen und Kursziel unverändert. Auch für ihn stellt die jüngste Kursschwäche eine Kaufgelegenheit da.
Aber vielleicht kommt das Kaufinteresse am Ende noch aus einer anderen Richtung: Zuletzt haben sich bereits einige institutionelle Investoren positioniert bzw. ihre Position ausgebaut. Und: Scout24 war 2014 von der Deutschen Telekom an die Finanzinvestoren Hellman & Friedman und Blackstone verkauft worden. Diese brachten das Unternehmen 2015 für 30 Euro je Aktie an die Börse. Nur ein paar Jahre später wäre Scout24 beinahe wieder vom Kurszettel verschwunden. Doch der Finanzinvestor Hellman & Friedman, der das Unternehmen zurückkaufen wollte, scheiterte im Frühjahr 2019 mit seinem Gebot für 46 Euro je Aktie.
Die mittelfristigen Aussichten sind gut, das Kursniveau weiter attraktiv. Der jüngste Rücksetzer erscheint daher übertrieben. Eine Gegenbewegung in Richtung 65 Euro scheint in den kommenden Wochen möglich. Mittelfristig scheint noch einiges mehr möglich.
(Mit Material von dpa-AFX)
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