Die Aussicht auf einen Corona-Impfstoff und damit Rückkehr zur alten Normalität mit einem ausverkauften Signal-Iduna-Park haben der BVB-Aktie zuletzt Rückenwind verliehen. DER AKTIONÄR hat mit dem BVB-CFO Thomas Treß über den langen Weg zurück, den aktuellen TV-Vertrag, die (zukünftige) Transferpolitik und die aktuelle Aktienbewertung gesprochen.
DER AKTIONÄR: Sehr geehrter Herr Herr Treß, die jüngsten Impfstoff-News sind sicherlich positiv. Dennoch wird es vermutlich noch lange dauern, bis wir eine Art „frühere Normalität“ erleben. Könnte der BVB im Worst-Case-Szenario wirtschaftlich auch das komplette nächste Jahr ohne Zuschauer verkraften? Ab wann planen Sie wieder mit einer „vollen Hütte“?
Thomas Treß: Wir sind gut durchfinanziert und hätten auch kein Problem mit dem von Ihnen skizzierten Worst-Case. Ich persönlich glaube aber, dass wir in der Rückrunde der aktuellen Saison auch wieder Zuschauer haben werden. Bis spätestens April sollten die entsprechenden Corona-Werte (7-Tage-Inzidenz; Anzahl der Neuinfektionen und Co.) soweit zurückgegangen sein. Mit einem ausverkauften Signal-Iduna-Park rechne erst für die kommende Saison 2021/2022. Ob das bereits am ersten Spieltag (29.Juli 2021) oder im Laufe der Hinrunde der Fall sein wird – das kann derzeit auch kein Virologe seriös vorhersagen.
Wie laufen die aktuellen Verhandlungen für einen über das Jahr hinausgehenden Gehaltsverzicht der Spieler?
Die Gespräche laufen derzeit...
Wie sehen Sie die generell die Entwicklung der Gehaltskosten in den kommenden Jahren? Wird Corona gleichsam einen Beitrag leisten, dass dieser dicke Batzen zukünftig geringer ausfällt?
Momentan sehe ich noch keine Beruhigung beziehungsweise keine wirkliche Veränderung, dass die Gehälter runtergehen. Denn solange es keinen Gehaltsdeckel – und dafür müsste eine europäische Lösung her – gibt, wird es (weiterhin) so sein, dass die Verantwortlichen mit ihrem Budget maximalen sportlichen Erfolg erzielen wollen. Wenn Corona einmal vorbei ist, werden Spieler und Berater schnell zu der Attitüde der Vor-Corona-Zeit zurückkehren – sofern sich die Erlöse der Vereine dann wieder normalisieren.
Stichwort „Einnahmen“: Wie sieht es mit den TV-Einnahmen in den kommenden Jahren aus? Wie zufrieden sind Sie mit im Sommer geschlossenen TV-Vertrag?
Vor dem Hintergrund der Pandemie ist es ein akzeptabler Vertrag. Für die laufende Saison sind es rund fünf Prozent weniger. Damit bin ich zufrieden. Auf internationale Ebene ist es leider anders: Da haben Vertragspartner die geschlossenen Verträge mit der DFL teilweise nicht eingehalten. Nicht einmal 200 Millionen Euro stehen diese Saison auf der Habenseite. Eigentlich war die Erwartung der Bundesliga-Clubs, dass diese Saison mehr als 250 Millionen Euro fließen – mit positiver Wachstumstendenz.
Gibt es in dem Segment „Merchandising“ noch Steigerungspotenzial?
Den Umsatz (konnten wir in der vergangenen Saison trotz Covid-19 um rund 10 Prozent auf € 33,0 Mio. im Merchandising steigern. Es waren aber auch schon mal mehr; in 2016/2017 erzielten wir knapp 40 Millionen. Danach waren wir sportlich weniger erfolgreich, und das hat die Erlöse aus diesem Segment auf 30 Millionen Euro zurückgehen lassen. Der aktuell positive Trend setzt sich aber fort, da die Umsätze gerade anziehen.
Und wieviel Prozent der Merchandising-Einnahmen macht der BVB bereits im Ausland?
Das ist ein Umsatzstrom, der keinen nennenswerten Anteil am Gewinn abwirft – im Gegensatz zu Sponsoring/TV. Das Auslandsgeschäft, bezogen auf das Merchandising, wird maßgeblich über unseren Ausrüster PUMA abgewickelt. An diesen Erlösen sind wir prozentual in Form von Royalties beteiligt.
Hohe Transfererlöse versus (hohe) Qualität der Mannschaft: Diese Saison hat der BVB sicherlich eine Mannschaft, die um Titel mitzuspielen kann. Was machen Sie, wenn nächstes Jahr Angebote – womöglich im dreistelligen Millionen-Bereich – für Ihre Top-Stars Sancho oder Haaland eingehen. Wie ist da Ihre Philosophie?
Eines vorweg: Wir müssen weder Haaland und noch Sancho aus wirtschaftlichen Gründen abgeben. Beide haben längerfristige Verträge. Erfolg zu maximieren ohne neue Schulden zu machen – das ist unser übergeordnetes Ziel, auch wenn wir aufgrund der Covid-19 Pandemiederzeit Verluste finanzieren müssen. Unsere Philosophie ist auch, junge Spieler für unseren Lizenzspielerkader zu entwickeln, die wir dann aus sportlichen Gründen eine gewisse Zeit halten wollen. Unser Ziel war es nie, diese Spieler möglichst schnell für viel Geld zu verkaufen. Man kann Leistungsträger auch nicht in großem Stil abgeben, dann fängt man wieder auf der Null-Linie an. Gleichwohl haben wir in den letzten Jahren deutliche Transferüberschüsse erzielt, die wir dann wieder in den Lizenzspielerkader investiert haben, um unsere sportliche Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern.
Bei dreistelligen Millionen-Angeboten für Ihre Top-Stars werden Sie bestimmt nicht schwach?
Unsere Philosophie war und ist es sportliche und finanzielle Ziele miteinander in Einklang zu bringen. In diesem Kontext werden wir zu gegebenen Zeit sowohl die wirtschaftlichen als auch die sportlichen Aspekte im Einzelfall abwägen. Schwarz-weiß-Denken gibt es dabei nicht.
Spielt das Thema „e-Sport“ in Ihren aktuellen, strategischen Überlegungen eine Rolle?
Wir haben mehrere Vermarktungspartner, die die Marke „BVB“ über den Fußball hinaus vermarkten. Wir planen jedoch kein eigenes Fußball-Team im Rahmen von e-Sport zu platzieren. Momentan verdient da nur der jeweilige Betreiber der Plattform. Zudem würde das auch nicht zur DNA vom BVB passen.
Warum sollte der Anleger gerade jetzt die BVB-Aktie kaufen?
Man sollte den Vor-Corona-Kurs mit dem aktuellen Kurs vergleichen. Wir haben vor dem Hintergrund der vorherrschenden Unsicherheit hinsichtlich der Covid-19 Pandemie und ihrer Auswirklungen auf den Fußball überproportional an Marktkapitalisierung verloren, obwohl sich der Substanzwert des BVB (eine Milliarde Euro) nicht wesentlich verändert hat. Und mit den jüngsten Impfstoff-News sollte es im Laufe des kommenden Jahres eine Rückkehr zur Normalität geben – und damit auch wieder ein volles Stadion. Vor dem Hintergrund hat ein Investment in die BVB deutlich mehr Chancen als Risiken. Ich bin davon überzeugt, dass der Aktienkurs perspektivisch wieder den Vor-Corona-Kurs (im Bereich von neun Euro) erreicht.
Auch aus Sicht des AKTIONÄR hat die Aktie Aufwärts-Potenzial. So haben sich dank der jüngsten Impfstoff-News die Perspektiven auf einen mittelfristig wieder ausverkauften Signal-Iduna-Park deutlich verbessert – Ende des kommenden Jahres sollte die Hütte wieder voll sein und die „schwarze-gelbe Wand" als 12. Mann hinter ihrer Mannschaft stehen. Zudem steht der Club bilanziell grundsolide da. DER AKTIONÄR hat das Papier des Bundesligavereins deshalb zuletzt erneut zum Kauf empfohlen. Kursziel: 7,00 Euro. Ganz wichtig: Anleger sollten bei 4,00 Euro unbedingt einen Stopp-Loss-Kurs setzen.