Als Warren Buffett seine ersten Aktien kaufte, donnerten die Kanonen und in den Straßen floss Blut. Im März 1942 war das, gut zwei Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs, ein halbes Jahr nach Kriegseintritt der Vereinigten Staaten. Der 11-jährige Buffett kaufte drei Anteilscheine der Gasfirma Cities Service zu einem Kurs von 38,25 Dollar. „Das Geld hatte ich seit meinem sechsten Lebensjahr angespart“, erzählte Buffett viele Jahre später. „Ich war nun Kapitalist – ein sehr gutes Gefühl.“ Verkauft hat er die Aktien nicht allzu lange danach zu 40 Dollar. Dafür würde ihn sein altes Ich ausschimpfen: „Die ideale Anlagedauer sollte für immer sein!“
Von diesem Moment an war Buffett börseninfiziert. Er hatte Blut geleckt und wollte mehr und mehr. Er war in jeder Phase dabei, in schlimmsten Wirtschaftskrisen und in Boomzeiten mit euphorischen Anlegern, in denen die Kurse stiegen und stiegen. Nichts brachte Warren Buffett, das „Orakel von Omaha“, von seinem Weg der einfachen Wahrheiten ab. Auch heute, mit fast 93 Jahren, kauft Buffett nur das, was er versteht, und rennt keinem kurzfristigen Trend und keiner Modeerscheinung hinterher. Er investiert nicht in Aktien, sondern in Unternehmen, auf diesen Unterschied legt er großen Wert. Alle Kennzahlen würden nichts taugen, wenn das Geschäft nicht zukunftsfähig sei oder die Firma schlecht geführt werde. „Wenn ein Unternehmen gut läuft, wird die Aktie letztendlich folgen.“
„Warren ist wahrscheinlich einer der intelligentesten Köpfe unserer Zeit.“
Ein Genie, aber nicht fehlerlos
Einfache Wahrheiten, entwaffnende Logik und ein nicht zu verbiegendes Rückgrat machten Buffett zum Helden unzähliger Anleger. „Seine Jahreshauptversammlungen wurden zu einem Stück Amerika – wie ein Elvis-Konzert oder eine religiöse Veranstaltung“, so Buffett-Biograf Roger Lowenstein. „Finanzgroupies kamen nach Omaha, umklammerten seine Schriften wie die Bibel und rezitierten seine Aphorismen, als kämen sie aus der Bergpredigt.“ An der Faszination hat sich für Buffett-Jünger nichts geändert.
In all den Jahrzehnten ist unendlich viel über Buffett geschrieben worden. Vieles davon stimmt, wie seine sonderbare Ernährung (Eis zum Frühstück, mehrere Dosen Cherry-Cola am Tag) oder seine Sparsamkeit – er lebt immer noch im selben Haus, das er 1958 für 31.500 Dollar gekauft hat. Aber es gibt auch ein paar Sachen, die nicht stimmen. Zum Beispiel, dass er viele Tech-Aktien nicht gekauft hat, weil er Verständnisprobleme hatte. „Das ist kompletter Unfug“, sagt Mary Buffett, Exfrau von Buffetts jüngstem Sohn Peter. „Warren ist sehr klug, wahrscheinlich einer der intelligentesten Köpfe unserer Zeit. Er weiß nur zu gut, was die Firmen machen.“
Aber auch ein Warren Buffett ist nicht frei von Fehlern. Apple hat er erst 2016 gekauft, neun Jahre nach der Erfindung des iPhone. Amazon-Aktien kaufte er 2019, nachdem sich der Kurs schon vervielfacht hatte. Dabei habe er Amazon-Gründer Jeff Bezos schon jahrelang bewundert, gestand Buffett damals. Nur zum Investment konnte er sich nicht durchringen.
Trotzdem ist die langfristige Performance von Berkshire Hathaway phänomenal. In den vergangenen 35 Jahren kommt die A-Aktie auf 12.800 Prozent, während der S&P 500 lediglich 3.500 Prozent zugelegt hat. Seit Beginn des Jahrtausends ist der Index um 380 Prozent gestiegen, Buffett indes hat ein Plus von 870 Prozent erzielt. Am 30. August wird der größte Börsianer aller Zeiten 93 Jahre alt. Seine Ratschläge werden wahrscheinlich noch in 100 Jahren befolgt. Damit sind nicht nur die Anlageempfehlungen gemeint, sondern auch seine Lebenshilfetipps, so wie der hier: „Der Unterschied zwischen den Erfolgreichen und den wirklich Erfolgreichen? Die wirklich Erfolgreichen sagen meistens nein.“ Auch an seine Coolness wird man sich noch sehr lange erinnern. Vor Kurzem antwortete er auf die Frage, was er von der Abstufung der US-Bonität durch Fitch halte: „Das gehört bestimmt nicht zu den Dingen, über die man sich Sorgen machen muss.“
Auf den nächsten Seiten macht DER AKTIONÄR den Buffett-Depot-Check und analysiert vier deutsche Unternehmen, die besonders gut ins Beuteschema der Legende passen.