Wer an der Börse aktiv ist, kommt kaum zum Luftholen. Nach einer ausgesprochen schwachen vergangenen Woche stehen in den kommenden fünf Tagen erneut wichtige Termine an. Der wichtigste: die US-Präsidentschaftswahlen am Dienstag. DIW-Chef Marcel Fratzscher warnt Deutschland vor einem Trump-Sieg.
„Ich habe die Sorge, dass Deutschland wirtschaftlich mehr zu verlieren hat als die USA unter Präsident Trump“, so Fratzscher zur dpa. „Wenn Trump die Wahl gewinnt, wird die Demokratie in den USA Schaden nehmen, ebenso der Multilateralismus. Wirtschaftlich gesehen mache ich mir mittelfristig aber weniger Sorgen.“ Die US-Wirtschaft werde weiter sehr dynamisch sein.
Aus Fratzschers Sicht ist Europa zu wenig handlungsfähig. „Wir haben keine gemeinsame Stimme und es gibt keine treibende Kraft, die sich gegenüber den USA und China durchsetzen kann", sagte der DIW-Präsident. „Die USA und China werden zunehmend nationalistisch und es besteht die Gefahr, dass Europa hinten runterfällt."
Sollte der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden die Wahl gewinnen, erwartet Fratzscher einen Kurswechsel in der US-Innenpolitik. Allerdings dämpfte er Hoffnungen, die USA würden sich unter Biden verstärkt für internationale Zusammenarbeit und multilaterale Verträge einsetzen.
Kampf gegen Corona
Biden gegen Trump – das ist auch eine Abstimmung über den künftigen Corona-Kurs der USA. Biden hat im Falle seines Sieges weitgehende Corona-Auflagen nicht ausgeschlossen, falls die Infektionslage das erfordern sollte. Trump indes ist für einen offenen Wirtschaftskurs.
In Europa haben währenddessen schon mehrere Länder runtergefahren, um die Zahl der Neuinfektionen zu reduzieren. Nach Deutschland und Frankreich haben sich nun auch Großbritannien und Portugal zu heftigen Beschränkungen entschlossen – mit nicht abzuschätzenden Folgen für die Konjunktur.
Ökonomen und Wirtschaftsverbände befürchten, dass steigende Corona-Neuinfektionen und der jüngst beschlossene Teil-Lockdown im November den Aufschwung ausbremsen. „Wegen der zweiten Welle und des Lockdowns können wir froh sein, wenn die Wirtschaft im vierten Quartal stagniert“, so Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.
Nach Einschätzung des Industrieverbandes BDI wird sich die wirtschaftliche Erholung in den kommenden Quartalen so nicht fortsetzen. „Die stark vernetzte deutsche Wirtschaft lässt sich nicht wie eine Insel abschotten, denn das Virus wird immer wieder zurückkommen", sagte Hauptgeschäftsführer Joachim Lang.
Zahlen über Zahlen
Derweil läuft die Berichtssaison auf Hochtouren. Bislang sind die Unternehmen überwiegend gut durch die Krise gekommen. Laut LPL Financial haben bis zum 23. Oktober 82 Prozent der Konzerne in den USA die Umsatz- und 83 Prozent die Gewinnerwartungen übertroffen. In der vergangenen Woche toppten dann etwa Amazon, Facebook und Alphabet die Prognosen.
In dieser Woche melden in den USA etwa Paypal, Oracle und Electronic Arts ihre Quartalszahlen. In Deutschland sind unter anderem Bayer, Zalando und die Deutsche Lufthansa an der Reihe.
Die Zeiten, in denen der Markt alle Unsicherheiten ausgeklammert hat, sind vorbei – derzeit herrschen Nervosität und Volatilität. Ein Unsicherheitsfaktor, die Präsidentschaftswahlen, fällt nun weg. Auch die Quartalssaison neigt sich dem Ende zu. Indes dürfte die Lage bei der Pandemie kritisch bleiben. Experten haben große Zweifel, dass ein Monat Lockdown light die Infektionszahlen nachhaltig senkt. Die Situation wird sich erst mit einem Impfstoff wirklich ändern. Zum Glück ist dessen Zulassung in Sicht. Dann sollte es eine Erleichterungsrallye an der Börse geben. Anleger können bereits jetzt erste Positionen aufbauen – attraktive Investmentstorys gibt es genug.
(Mit Material von dpa-AFX)