Starke Produkte und eine erstklassige Pipeline dürften in Zukunft für weitere Umsatz- und
Gewinnzuwächse beim dem US-Biotech-Star sorgen. Anleger steigen ein.
Herzerkrankungen und Schlaganfälle führen das Ranking der weltweit häufigsten Todesursachen an. Ein Drittel aller Menschen starb der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge an diesen oder anderen Formen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Eine der möglichen Ursachen sind zu hohe Cholesterinwerte. Dies ist spätestens seitdem bekannt, seit der amerikanische Ernährungsspezialist Ancel Keys in den 1950er-Jahren erhöhte Blutfettwerte für den dramatischen Anstieg der Herzinfarkte verantwortlich machte. Für die Pharmakonzerne hat sich dadurch ein enorm großer und lukrativer Markt aufgetan. Vorzeigeprodukt war jahrelang der Cholesterinsenker Lipitor aus dem Hause Pfizer, das zur Kategorie der Statine gehört. Im Spitzenjahr 2006 erzielte das Medikament Umsätze in Höhe von 14 Milliarden Dollar und war damit das meistverkaufte Präparat der Welt. Die Cholesterinsenker sind allerdings nicht unumstritten. Viele Patienten klagen über Muskelbeschwerden. Zudem haben Patienten, die regelmäßig Statine einnehmen, ein erhöhtes Risiko, an Diabetes zu erkranken. Doch es gibt Hoffnung. Wenn Statine allein nicht ausreichen oder nicht vertragen werden, sind derzeit sehr vielversprechende Alternativen in Sicht. So haben der französische Pharma-Riese Sanofi und der amerikanische Partner Regeneron bereits die Zulassung für ihr Gemeinschaftspräparat Praluent (Alirocumab) beantragt.
Praluent gehört zur Gattung der PCSK9-Inhibitoren. Im Gegensatz zu den Statinen werden die PCSK9-Hemmer nicht als Tabletten eingenommen, sondern werden als Biologika aus lebenden Zellen gewonnen und intravenös verabreicht. In den vergangenen Studien zeigte sich eine enorm gute Wirksamkeit. Insbesondere der Spiegel des „schlechten“ LDL-Cholesterins konnte in bislang unerreichtem Ausmaß um 50 Prozent und mehr gesenkt werden. Der Zulassungsentscheid durch die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA steht nun unmittelbar bevor. Bis spätestens Ende August dürfte das Ergebnis vorliegen. Und es wartet ein Milliardenmarkt. Würde man sämtliche US-Patienten berücksichtigen, die Statine nicht vertragen oder deren Körper nicht effizient genug darauf reagiert, käme man auf eine potenzielle Abnehmerzahl von 15 Millionen Amerikanern. Gemäß einer Schätzung der US-Medikamenteneinkaufsorganisation Express Scripts könnten sich die Kosten für die Behandlung pro Patient und Jahr auf 10.000 Dollar belaufen. Das gesamte Marktpotenzial für PCSK9- Hemmer würde sich demnach auf 150 Milliarden Dollar belaufen. Konservative Schätzungen rechnen mit vier Millionen Adressaten und Kosten von 1.500 Dollar pro Patient. Selbst dann ergäbe sich noch ein Volumen von sechs Milliarden Dollar. In jedem Fall hat Praluent Blockbuster- Potenzial. Als Blockbuster bezeichnet man ein auf dem Pharmamarkt besonders erfolgreiches Medikament, das jährlich einen Umsatz von mehr als einer Milliarde Dollar erzielt.
Und dies könnte den Umsätzen von Regeneron deutlichen Auftrieb verleihen. Ohnehin kann das Unternehmen seit Jahren mit konstant steigenden Umsatzzahlen aufwarten. Mehr noch: die Umsatz-Wachstumsrate ist sogar die größte unter allen großen US-Biotech- Konzernen, erklärt Robyn Karnauskas, Analystin bei der Deutschen Bank. Im vergangenen Geschäftsjahr erzielte Regeneron Einnahmen in Höhe von 2,8 Milliarden Dollar. Bis 2016 sollen diese auf mehr als 5,3 Milliarden Dollar anwachsen. Ähnlich sieht es auch bei der Gewinnentwicklung von Regeneron aus. Schrieb das Unternehmen noch im Jahr 2011 Verluste, ist der bereinigte Gewinn im vergangenen Jahr auf zehn Dollar je Aktie angewachsen. Auch das erste Quartal des laufenden Geschäftsjahres lief bereits wieder äußerst erfolgreich. Regeneron erzielte einen Gewinn je Aktie von 2,88 Dollar und übertraf damit die Erwartungen der Analysten um 38 Cent. Auch die Umsätze in Höhe von 870 Millionen Dollar lagen klar über den Schätzungen von 820 Millionen Dollar. Und die Erträge dürften auch in den kommenden Jahren rasant weiter anziehen, erwartet Karnauskas. Bis 2019 schätzt sie ein durchschnittliches Plus von 20 Prozent pro Jahr. Nur Celgene dürfte noch höhere Wachstumsraten erzielen. Doch zu der starken Ergebnisentwicklung würde nicht nur das neue Medikament Praluent beitragen. Zum einen hat Regeneron mit Sarilumab zur Behandlung von rheumatoider Arthritits und Dupilumab zur Anwendung beim atopischen Ekzem zwei Präparate in Phase III. Vier weitere Antikörper warten in Phase II.
Regeneron hat zudem bereits drei zugelassene Produkte im Portfolio: Arcalyst, Zaltrap und Eylea. Vor allem das Augenmittel Eylea ist aussichtsreich. Für die erste Indikation erhielt das Präparat im November 2011 die Zulassung. Für weitere Anwendungsgebiete wurde es im September 2012, Juli 2014, Oktober 2014 und im März dieses Jahres freigegeben. Vertrieben wird Eylea in den USA von Regeneron, während Bayer HealthCare die Vertriebsrechte außerhalb der USA besitzt. Die Markteinführung des gegen die feuchte Form der altersbedingten Makuladegeneration eingesetzten Medikaments gilt als eine der erfolgreichsten Produktlancierungen im gesamten Biotech- Sektor. Eylea wirkt gegen die häufigste Ursache der Altersblindheit und hat Roche und Novartis in den vergangenen Jahren erheblich Marktanteile abgenommen. Im vergangenen Jahr erzielte Regeneron mit Eylea einen Umsatz von 2,75 Milliarden Dollar. Damit gehört das Mittel zu den 20 weltweit meistverkauften Präparaten. Und Experten rechnen mit weiteren deutlichen Umsatzzuwächsen. Bis zum Jahr 2020 soll allein Eylea mehr als 5,8 Milliarden Dollar zu Regenerons Umsatztopf beitragen und dann eventuell in die Top- 10-Medikamenten-Riege aufsteigen.
Regeneron hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Erfolge feiern können und sich zu einem der am schnellsten wachsenden großen Biotech- Unternehmen entwickelt. Die Erfolgsstory ist damit aber keineswegs zu Ende. Erhält Regeneron in den kommenden Wochen die Zulassung für den Blockbuster-Kandidaten Praluent, sollte die Kasse weiter klingeln. Aber auch die übrige üppig gefüllte Produktpipeline sowie die bereits am Markt erhältlichen Präparate versprechen weiteres erhebliches Potenzial.