Die Europäische Zentralbank hat mit ihrer Entscheidung den Nullzins in die Verlängerung zu schicken am heutigen Donnerstag viele Verlierer hervorgebracht, die teils herbe Verluste hinnehmen mussten. Betroffen allen voran: Die Aktien von Commerzbank und Deutsche Bank. Doch nicht allen Firmen macht der EZB-Entscheid zu schaffen. Im Gegenteil, einigen kommt er sogar zupass.
Umstrittene Studien über das Krebsrisiko des Unkrautvernichters Glyphosat müssen nach einem Urteil des EU-Gerichts öffentlich gemacht werden. Die Entscheidung der EU-Lebensmittelbehörde Efsa, entsprechende Untersuchungen unter Verschluss zu halten, sei nichtig, erklärten die Luxemburger Richter am Donnerstag (Rechtssachen T-716/14, T-329/17). Grüne und Umweltschützer jubeln. Gegen das Urteil kann allerdings innerhalb von zwei Monaten beim höheren Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgegangen werden.
Der Agrarchemiekonzern Bayer erklärte, das Urteil werde noch geprüft. Es gehe nicht um Verpflichtungen von Bayer oder anderen Glyphosat-Unternehmen, sondern um die Verpflichtungen der Lebensmittebehörde Efsa, sagte ein Sprecher. Unabhängig von diesem Fall habe Bayer aber ein Transparenz-Register eingerichtet, das den Zugang zu den wissenschaftlichen Daten von Bayer ermögliche, die von Aufsichtsbehörden zur Beurteilung der Sicherheit von Pflanzenschutzmitteln verwendet würden.
Hintergrund des Urteils ist der monatelange Streit um die weitere Nutzung von Glyphosat in der EU. Das Mittel war 2017 von den Mitgliedsstaaten für weitere fünf Jahre zugelassen worden. Die Internationale Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation stufte Glyphosat im März 2015 als "wahrscheinlich krebserregend" für den Menschen ein. Die Lebensmittelbehörde Efsa, die Chemikalienagentur Echa und das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung sah dafür aber keine Bestätigung. Gegen das Mittel hatte es vor allem hierzulande heftige Proteste gegeben.
Unter anderem vier grüne Europaparlamentarier klagten dagegen, dass Efsa ihnen den Zugang zu entsprechenden Studien verwehrt hatte. Die Lebensmittelbehörde begründete dies mit dem Schutz der finanziellen Interessen der Unternehmen, die die Studien vorgelegt hatten – unter anderem der mittlerweile vom Agrar- und Pharmariesen Bayer übernommene US-Saatgutkonzern Monsanto.
Die Luxemburger Richter urteilten nun, das Interesse der Öffentlichkeit an Informationen, die Emissionen in die Umwelt beträfen, sei höher als der Schutz von Geschäftsinteressen. Das Interesse bestehe nicht nur darin, zu wissen, was in die Umwelt freigesetzt worden sei, sondern auch, wie die Umwelt dadurch beeinträchtigt werde.
Glyphosat sei von 1. Juli 2002 an als Wirkstoff in der EU zugelassen gewesen, führten die Richter weiter aus. Es handele sich um eines der gängigsten Unkrautvernichtungsmittel in Europa. Rückstände fänden sich unter anderem in Pflanzen, im Wasser und in Lebensmitteln.
Die Lebensmittelbehörde Efsa erklärte nun, sie begrüße, dass das Urteil Orientierung beim öffentlichen Zugang zu Dokumenten schaffe. Das Urteil werde zunächst noch eingehend analysiert, hieß es.
Umweltschützer, Grüne und Sozialdemokraten bewerteten das Urteil aus Luxemburg schon als großen Erfolg. "Die Entscheidung des Gerichts wird mehr Klarheit in die öffentliche Diskussion um Pestizide bringen. Jetzt steht fest, dass die Öffentlichkeit Zugang zu Informationen aus bisher nicht veröffentlichten Studien über die langfristigen Folgen dieser Wirkstoffe hat", sagte die SPD-Europaabgeordnete Susanne Melior.
Die Greenpeace-Lebensmittelexpertin Franziska Achterberg sagte: "Es ist schockierend, dass Efsa vor Gericht daran erinnert werden musste, dass ihre Aufgabe der Schutz der öffentlichen Gesundheit ist, nicht der Schutz der Geschäftsinteressen von Glyphosatherstellern."
"Jetzt wird ans Tageslicht kommen, was die Geschäftemacher uns vorenthalten wollten. Wir müssen jetzt auf sofortige Herausgabe aller Studien drängen und diese umgehend analysieren", sagte der Grünen-Europaabgeordnete Martin Häusling. "Wenn sich die vermuteten Belege dafür finden, dass Glyphosat tatsächlich krebserregend ist, wäre das ein Skandal mit weitreichenden Veränderungen: Glyphosat müsste sofort verboten werden."
Eine aktuelle Einschätzung des AKTIONÄR zur Aktie der Bayer AG finden Sie hier.
Mit Material von dpa-AFX
Ein Beitrag von Leon Müller, Chief Editor Börsen.Briefing. – dem täglichen Newsletter des Anlegermagazins DER AKTIONÄR (registrieren Sie sich kostenfrei unter www.boersenbriefing.de)
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