Durch den Verkauf der Marken Coppertone und Dr. Scholl’s, des Anteils am Chemieparkbetreiber Currenta und der Tiergesundheit fließen Bayer rund acht Milliarden Euro in bar zu. Das Geld können die Leverkusener gut gebrauchen. Denn durch die Übernahme von Monsanto ist die Nettofinanzverschuldung im Jahr 2018 auf 35,7 Milliarden Euro in die Höhe geschnellt. Hinzu kommt das unkalkulierbare finanzielle Risiko durch die Glyphosat-Rechtsstreitigkeiten. der aktionär hat bei Tobias Gottschalt, Analyst bei Independent Research, zur Problematik nachgefragt.
Vergleich wahrscheinlich
„Dass es früher oder später zu einem Vergleich kommen wird, halte ich für wahrscheinlich. Es ist sowohl im Interesse von Bayer als auch im Interesse der Kläger, die Unsicherheiten zu beseitigen und den Streit beizulegen“, so Gottschalt gegenüber der aktionär. „Mit dem Stand zum 11. Juli 2019 liegen gegen Bayer 18.400 Klagen wegen der Glyphosat-Thematik vor. Angenommen, jeder Kläger erhielte eine Schadenersatzsumme in Höhe von 750.000 Dollar, so entstünden für Bayer Belastungen von 13 Milliarden Dollar. Dabei spielen die Reduzierungen der Schadenssummen eine untergeordnete Rolle, weil die Anzahl der Klagen bei weiterem rapiden Anstieg den Effekt geringerer Strafzahlungen überkompensiert“, beschreibt der Experte das milliardenschwere Problem in Übersee.
Auf die Frage, ob von Monsanto weitere Risiken ausgehen, spielt Gottschalt das Szenario eines potenziellen Glyphosat-Verbots. „Es stellt sich die Frage, wie lange das Pflanzenschutzmittel RoundUp noch verkauft werden darf und welcher operative Schaden im Falle eines Verbotes entstünde. Zudem kontrolliert Monsanto 90 Prozent des Weltmarktes für genetisch veränderte Lebensmittel. Die langfristigen Auswirkungen von genetisch veränderten Lebensmitteln auf die Gesundheit sind noch nicht endgültig erforscht“, meint der Analyst. „Zum Beispiel haben französische Forscher bei Versuchen mit Ratten festgestellt, dass die Gruppe, die genmanipulierten Mais zu fressen bekam, Tumore sowie Leber- und Nierenschäden entwickelten.“
Gottschalt stuft die Bayer-Aktie aktuell mit „Verkaufen“ und einem Kursziel von 65,00 Euro ein. Die Gründe dafür sind vielschichtig: „Hier spielen zahlreiche Faktoren eine Rolle. Wie bereits erwähnt, ist nicht abzuschätzen, wann und wie hoch die finanzielle Einigung beim Glyphosat-Streit sein wird beziehungsweise welche Risiken noch von Monsanto ausgehen. Durch Monsanto haben sich die Bilanzrisiken (Stichwort: Goodwill) erheblich erhöht. Zudem ‚wackelt‘ der Ausblick für das laufende Geschäftsjahr.“
DER AKTIONÄR teilt die kritische Einschätzung von Analyst Tobias Gottschalt, die Bayer-Aktie bleibt ein heißes Eisen. Vorerst zu heiß. Die DAX-Papiere sind allenfalls eine Halteposition.
Hinweis: Dieser Artikel erschien bereits in der AKTIONÄR-Ausgabe36/2019, welche Ihnen hier als Download zur Verfügung steht.