Die Bundesregierung blickt in den Abgrund. Das Bundesverfassungsgericht konfrontiert sie mit seinem Urteil zum Klima- und Transformationsfonds (KTF) mit der Realität. Und die sieht keine 60 Milliarden Euro für Energiewendeprojekte vor. Aus und vorbei. Das Fundament dieser Regierung, die Partei für Partei ihre Klientel bedienen wollte, ist unwiederbringlich zerstört. Das Täuschungsmanöver des Olaf Scholz, der die Vorbereitungen zur Verschiebung von 60 Milliarden Euro aus Coronahilfen in den KTF 2021 noch als Finanzminister traf, um sie dann als Kanzler in die Umsetzung zu geben, ist aufgeflogen. Der Verfassungsbruch hat Konsequenzen. Für den Haushalt. Aber womöglich auch für die Regierungskoalition direkt. In der FDP werden Stimmen gesammelt für ihr Scheitern. Immerhin war es Christian Lindner, der den Satz prägte: „Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.“ 2017 führte er dazu, dass die FDP nicht in die Koalition mit Schwarz und Grün eintrat. Jetzt muss diese Überzeugung – sofern es denn eine war – dazu führen, dass die FDP die Ampel aufkündigt. Ein entsprechendes Quorum der Parteimitglieder wird erwartet. Welch Blüten die Haushaltsschmelze trägt, zeigt ein Beitrag von ungeahnter Seite. In einem Tagesthemen-Kommentar analysiert Thomas Berbner vom NDR: „Erst den Karren in den Dreck fahren und sich dann in die Büsche schlagen – ist das die Politik der selbst ernannten Fortschritts-Koalition?“
Verantwortung abgelehnt
Es ist auffällig, dass niemand die Verantwortung für dieses grandiose Scheitern übernehmen möchte. Stattdessen Blendgranaten, wohin man blickt. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert fällt nichts Besseres ein, als über das Ausrufen der Notlage zu philosophieren, die eigene Plauderstunde im deutschen Fernsehen aber sogleich mit dem Hinweis zu versehen, die Debatte gehöre hinter verschlossene Türen und nicht in die Öffentlichkeit. Es bleibt festzuhalten: Die Suche nach dem Realitätsverlust ist dieser Tage in Berlin eine kurze. Die Regierung hat keinen Plan B, obwohl sie hätte einkalkulieren müssen, dass das Bundesverfassungsgericht Plan A als das entlarvt, was er ist: „maximal unsolide“, ein „Umgehungsmanöver“. So bezeichnete ihn CDU-Haushaltsexperte Mathias Middelberg bereits im Oktober 2022 – öffentlich und für jedermann hörbar im Deutschen Bundestag. Und auch der Bundesrechnungshof äußerte „erhebliche verfassungs- und haushaltsrechtliche Bedenken“ zu „jeder Facette“ des KTF-Plans.
„Ihre Finanzierungsmethode ist maximal unseriös.“
Neuwahlen wahrscheinlich
Was bleibt, ist ein Scherbenhaufen, verbunden mit der Frage: Was jetzt? Die Zeichen mehren sich: Die Haltbarkeit der Ampelkoalition nähert sich ihrem Verfallstag. Investoren werden darüber kaum traurig sein. Deutschland steht so schlecht da wie schon lange nicht mehr. Die Wirtschaftsleistung geht zurück, während andere OECD-Staaten prosperieren. Im Ausland (etwa in Gestalt des Wirtschaftsmagazins The Economist) bezeichnet man Deutschland als „kranken Mann Europas“. Ein Titel, der die Nation nicht voranbringt. Und Aktien, die unter einer grün dominierten Bundesregierung eigentlich hätten haussieren müssen, entpuppen sich zwei Jahre nach Vereidigung der Ampelkoalition als große Verlierer. Dazu zählt etwa der – auch von Missmanagement gebeutelte – Windkonzern Siemens Energy, dessen Aktie über die Hälfte ihres Wertes verloren hat. Wind – eines der Top-Themen der Grünen – bedeutet für die Aktionäre der Gesellschaft vor allem vom Winde verwehtes Kapital. Ebenfalls unter den Top-Verlierern: Digital- und Technologieunternehmen. Und nicht zuletzt Unternehmen aus energieintensiven Branchen wie Lanxess. Wer jetzt jedoch mit wahrscheinlicher werdenden Neuwahlen eine Trendwende erwartet, könnte sich später getäuscht sehen.
Energiewende-Stopp und die Folgen
Richtig ist: Wo aufgrund des Kapitalmangels nicht mehr in geplantem Maße gefördert werden kann, muss unter Umständen regulativ gelockert werden, um drastische Einbrüche zu verhindern. Das gilt für die jetzige wie für eine mögliche neue Regierung. Soft statt hard landing als zentrales Ziel der politischen Arbeit. Aufweichen von Vorschriften statt strengeres Vorgehen. Profitieren könnte davon etwa die Automobilindustrie, die derzeit vor dem Hintergrund ökologischer Ziele einen harten Wandel durchlebt. Doch Strom bleibt auf absehbare Zeit teuer, staatliche Kaufanreize für Endverbraucher scheinen nicht länger finanzierbar. „Stimmungsmäßig könnte die Autoindustrie von einem Regierungswechsel profitieren“, stellt denn auch Ernst Konrad fest. Konrad ist bei Eyb & Wallwitz im Portfoliomanagement verantwortlich für die Asset Allocation und die Aktienstrategie. Übergeordnet erwartet er keine große Entspannung nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. „Die Frage ist auch, welche anderen Vermögen von diesem Urteil noch tangiert werden könnten. Wie steht es mit dem Stabilisierungsfonds, mit dem die Energiepreisbremse finanziert wird? Tendenziell ist das ein Rückschlag für alle energieintensiven Unternehmen“, so sein Fazit. Firmen wie die genannte Lanxess und BASF könnten nun ihre Bemühungen, Teile der Produktion ins Ausland zu verlagern, intensivieren und beschleunigen. Sie haben vom Wirtschaftsstandort Deutschland nicht mehr viel zu erwarten. Deren Aktien könnte das sogar einen Schub geben.
„Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.“
Schnelle Antworten notwendig
Sicher ist: Diese oder die kommende Regierung muss jetzt sehr schnell Antworten auf sehr drängende Fragen finden. Wie sollen wichtige Projekte finanziert werden, für die Geld im KTF vorgesehen war? Wie lassen sich künftige Haushalte verfassungskonform gestalten, ohne dass ständig neue „Sondervermögen“ entstehen, die dann der Prüfung durch die Bundesrichter womöglich nicht standhalten? Seit Mittwoch ist jedenfalls klar: Der Haushalt 2024 wird nicht in der kommenden Woche im Bundestag verabschiedet. Die Unsicherheit über Investitionen und den Spielraum der öffentlichen Hand belastet den Aktienmarkt (noch) nicht. Eine Hängepartie im Bund bis hin zur Handlungsunfähigkeit aufgrund gesperrter Haushaltstöpfe wäre jedoch in jedem Fall Gift für die Konjunktur und damit auch die Kurse an der Frankfurter Börse. Christian Lindner, Robert Habeck und Olaf Scholz bleibt nicht viel Zeit, Lösungen vorzustellen.
Vorbereitungen treffen
Anleger sind gut beraten, sich auf die Stunde null vorzubereiten. Sobald die Regierungskoalition platzt, indem etwa die FDP ihren Austritt erklärt, oder aber Olaf Scholz die Vertrauensfrage im Bundestag stellt, werden auch internationale Investoren bei bestimmten Branchen und Aktien zugreifen. Die Redaktion des AKTIONÄR hat im Austausch mit Experten mögliche Gewinner einer politischen Wende herausgefiltert und stellt sie auf den nachfolgenden Seiten vor.