Trotz einer Rendite von aktuell 5,8 Prozent bleibt Dividendenaristokrat 3M weiter nur etwas für hartgesottene Anleger. Denn der Industriegigant hat juristischen Ärger und das gleich doppelt. Einmal im Streit um sogenannte Ewigkeitschemikalien und ein weiteres Mal aufgrund von defekten Gehörschutzprodukten für die US-Armee. Vor allem letzteres ist potenziell existenzgefährdend, zumal 3M eine weitere juristische Schlappe kassiert hat. Ein Analyst der Bank of America sieht hierin aber auch eine Chance.
Im Zentrum des Streits um defekte Gehörschutzprodukte steht die 2008 übernommene Firmentochter Aearo. Deren Gehörschutz gehörte zwar zur Standardausrüstung der US-Armee, hat Soldaten aber offenbar nur unzureichend geschützt. Viele Veteranen klagen nach ihren Einsätzen über beträchtliche Hörkraftverluste und Erkrankungen wie Tinnitus - und gehen juristisch gegen 3M vor. Insgesamt 230.000 Klagen haben Geschädigtenanwälte gesammelt.
In ersten Prozessen ist 3M bereits zu substanziellen Schadenserzahlungen verurteilt worden. In einem Fall musste das traditionsreiche Industrieunternehmen einen hohen zweistelligen Millionenbetrag entrichten. Insgesamt könnte sich der Streitwert laut Analysten der Investmentbank Morgan Stanley auf etwa 50 Milliarden Dollar belaufen. Eine existenzgefährdende, juristische Gefahr, wie der Kursverlauf der vergangenen Jahre anzeigt.
Um eine potenzielle Pleite abzuwenden, hat sich 3M für eine riskante Strategie entschieden: Seine Tochter Aearo auszugliedern und für diese Insolvenz anzumelden. Mit diesem Vorhaben ist 3M juristisch aber immer wieder gescheitert, zuletzt am vergangenen Freitag. Unter dem Vorsitz von Insolvenzrichter Jeffrey Graham hat ein in Indianopolis ansässiges Gericht entschieden, den Insolvenzantrag abzulehnen. Die Konzernmutter sei ausreichend solvent, um Aearo finanziell unter die Arme greifen zu können. Gegen den Richterspruch hat 3M am Montagabend Berufung eingelegt.
Die Bank of America erkennt in der neuen Niederlage eine Chance. Analyst Andrew Obin argumentiert, dass der Druck auf 3M dadurch zunehmen dürfte, sich außergerichtlich mit den Geschädigten zu einigen und zumindest diesen Rechtsstreit schneller beizulegen, als bislang erwartet wurde. Mit einem Kursziel von 110 Dollar und einem "Sell"-Rating ist aber auch Obin nicht besonders optimistisch, was die weiteren Zukunftsaussichten der Aktie angeht.
Mit 64 Jahren Dividendenerhöhungen infolge gilt 3M vielen ausschüttungsorientierten Anlegern weiterhin als unverzichtbar. Der enorme Rechtsüberhang bedeutet aber sowohl für die Dividende als auch das Unternehmen selbst erhebliche Gefahren. Hier springen unverändert nur ganz Mutige auf. Welcher Preisbereich hierfür infragekommen könnte, hat Kollege Lars Friedrich ausgearbeitet.