Herbie hat schon im Jahr 1968 bei Millionen Kindern den Traum geweckt: Einmal selbst ein mitdenkendes, intelligentes Auto besitzen. Im Film „Ein toller Käfer“ scheiterten die Bösewichte noch damit, das Auto auseinanderzunehmen, um dem Käfer sein Geheimnis zu entreißen.
Im Jahr 2015 werden sie Realität: Autos, die clever und autonom handeln. Eines der vielen Pilotprojekte treibt Google voran. Würde man das Auto heute sezieren, fände man vor allem: sehr viele Chips von NXP Semiconductors.
Der niederländische Chiphersteller selbst ist für viele ein Mysterium. Obwohl NXP einen wichtigen Standort in Hamburg hat, blieb der Kanzlerin Angela Merkel der Erfolg der Philips-Ausgründung lange verborgen. Vor zwei Jahren fragte sie auf einer Reise mit Wirtschaftsvertretern: „NXP, nie gehört. Was machen die eigentlich?“
NXP-Vorstand Rüdiger Stroh nimmt es mit Humor und bezeichnet NXP augenzwinkernd als „bestgehütetes Geheimnis“. Dabei nutzen wir jeden Tag Produkte mit NXP-Lösungen. Angefangen von Sicherheitschips für Geldkarten oder Reisepässe. Auch in fast allen Autoschlüsseln steckt intelligente NXP-Technik, um kontaktlos den Wagen zu öffnen und zu starten. NXP hat bereits 1995 zusammen mit der Allianz die Wegfahrsperre eingeführt und ist beim Fahrzeugzugang weltweit die Nummer 1.
Künftig wird der Schlüssel wissen, wo das Auto geparkt wurde und wann die nächste Wartung ansteht. Heutige Zugangssysteme bringen für NXP einen Umsatz pro Auto von drei bis vier Dollar. Schlüssel der neuen Generation mit NFC dürften für eine Vervielfachung auf rund 14 Dollar sorgen. Sitzt man dann im Wagen, kann man die Boxen aufdrehen und Vivaldi in Konzertqualität hören – dank NXP-Chips, die sogar die Struktur der Sitzpolster berücksichtigen, um die Schallwellen ideal zu dirigieren.
Doch Zurücklehnen und Relaxen ist bislang schwer möglich. Der Fahrer muss lenken, das Wetter beobachten und damit rechnen, auf ein überraschendes Hindernis aufzufahren oder ein Fahrzeug im toten Winkel zu übersehen. Die Lösung: Das Roboterauto beziehungsweise die Car2Car-Vernetzung. Ziel der Innovationen: Jährlich über 1.000 Verkehrstote und 2,3 Millionen schwere Verletzungen verhindern.
DER AKTIONÄR im DAF-Interview:
Auto A bremst – Auto B warnt
Auf der Technologiemesse CES 2015 vom 6. bis 7. Januar in Las Vegas wird NXP seine Vision vom Auto der Zukunft vorstellen. Der Clou: Über Chips von NXP „unterhält“ sich das eigene Auto mit allen anderen Autos auf den Straßen. Daten wie das Ansprechen des ABS, des Lenkwinkels, der Position des Autos sowie die Geschwindigkeit werden per Funk permanent ausgetauscht. Das hat immense Vorteile: Bremst ein Auto 500 Meter weiter vorne im Nebel, bemerkt es das Auto dahinter lange bevor mit dem menschlichen Auge etwas sichtbar ist und bremst.
Vielleicht übersehen Sie an einer Kreuzung einmal ein Auto ohne Licht? Kein Problem. Ihr Auto erkennt den drohenden Zusammenprall und stoppt rechtzeitig. Zudem weiß Ihr Computer auf vier Rädern dank Sensoren an der Straße, ob es nach der Kurve glatt ist.
Qualcomm geschlagen
Diese Intelligenz bekommen Autos in Europa und den USA schon ab 2016 und 2017 eingepflanzt. Wegweisend war der Auftrag des General-Motors-Autozulieferers Delphi an NXP für Chips zur Datenübertragung. Ein Großauftrag, der umkämpft war. „NXP beats Qualcomm“, so US-Medien nach dem Coup des europäischen Chipherstellers.
Ein großer Vorteil von NXP: Dem Konzern, der weltweit bereits Milliarden Sicherheitschips für Bankkarten und Reisepässe hergestellt hat, traut man neben der Vernetzung zu, das Auto auch gegen Hacker-Angriffe zu sichern. Schließlich ist der Albtraum der Autoentwickler eine Szene aus dem Herbie-Film, in der sich der Käfer selbstständig macht und gegen den Willen des kreischenden Fahrers über die Landstraßen rast.
In Premiumfahrzeugen stecken schon jetzt NXP-Lösungen im Wert von rund 100 Dollar, Tendenz steigend: Der Gesamtmarkt für Autoelektronik wird bis 2019 um 40 Prozent auf 40 Milliarden US-Dollar wachsen.
Durchbruch mit Apple
Noch dynamischer als der Bereich Automotive entwickelt sich bei NXP derzeit das Geschäft mit Smartphones. Bereits 2002 wurde die Entwicklung eines NFC-Chips zum sicheren, drahtlosen Datenverkehr gestartet. Kunden wie Samsung setzen die Lösung längst ein. Den großen Durchbruch brachte aber Apple Pay. Das im September vorgestellte iPhone 6 hat – wie vom AKTIONÄR im Vorfeld erwartet – einen NFC-Chip von NXP verbaut. Auch in der Apple Watch wird NFC verwendet. NXP hat viele weitere Lösungen im Programm, die auch für Premium-Smartphonebauer interessant sind (siehe Interview rechts).
Auch extrem schnell wachsende chinesische Smartphonebauer wie Xiaomi oder Oppo vertrauen auf NXP. Ein Verkaufsschlager ist etwa ein Verstärkerchip, der dem Smartphone einen besseren und lauteren Klang verschafft. NXP beliefert 13 der weltweit größten 15 Smartphonebauer damit. Darunter auch die zehn großen chinesischen Hersteller.
Internet der Dinge
Dank seines breiten Know-hows bei Chips, die Daten sammeln und per Funk übertragen, ist NXP prädestiniert, den Megatrend „Internet der Dinge“ mit anzuführen. Vision ist, dass Kühlschränke, Alarmanlagen oder Kleidung intelligent und kommunikativ werden. Fidelity zufolge wird das „Internet of Things“ nach der Mobile-Revolution die nächste große Welle. Das Research-Unternehmen Gartner erwartet, dass die Zahl der Geräte, die mit dem Internet verbunden sind, von 3,7 Milliarden bis 2020 auf 25 Milliarden anwächst.
Drei Megatrends
NXP ist sehr gut aufgestellt und dennoch attraktiv bewertet. Denn Smartphonebauer bestellen immer mehr Chips bei den Niederländern. Auch das Internet der Dinge belebt die Geschäfte. Zudem profitiert NXP vom digitalen Erwachen der Autobranche: Ab 2016 werden dank NXP-Chips Millionen smarter Autos die Straßen erobern. Herbie wäre eifersüchtig.
Siehe auch NXP im Interview: Apple und Co werden 2015 richtig durchschlagen.
Dieser Artikel ist in der AKTIONÄR-Ausgabe 02/2015 erschienen.