Volkswagen muss sich in der Affäre um manipulierte Abgaswerte mit einer weiteren brisanten Klage auseinandersetzen. Die US-Handelsbehörde FTC (Federal Trade Commission) teilte am Dienstag in Washington mit, ein Verfahren wegen irreführender Werbung eingeleitet zu haben. Es geht um Wiedergutmachung von Milliardenschäden von US-Autobesitzern, die VW das Versprechen vermeintlich sauberer Diesel-Technologie abgekauft hatten.
Entschädigung für die Verbraucher
Die Behörde wirft Volkswagen vor, von 2008 bis ins späte Jahr 2015 Hunderttausende Diesel unter Vorspiegelung falscher Tatsachen in den USA verkauft zu haben. "Unsere Klage fordert Entschädigung für die Verbraucher, die diese Wagen aufgrund betrügerischer und unfairer Praktiken gekauft haben", erklärte FTC-Leiterin Edith Ramirez.
"Wir haben die Klage erhalten und setzen unsere kooperative Zusammenarbeit mit allen US-Behörden einschließlich der Federal Trade Commission fort", sagte ein VW-Konzernsprecher am Dienstag in Wolfsburg. Die FTC beschuldigt VW, über sieben Jahre Autos als "Clean-Diesel" beworben zu haben, deren Emissionswerte geschönt waren.
FTC legt die Messlatte hoch
Die Behörde beziffert den durchschnittlichen Verkaufspreis der manipulierte Wagen auf etwa 28.000 Dollar und geht von mehr als 550.000 betroffenen Fahrzeugen aus. Damit würde sich eine Gesamtsumme von über 15,4 Milliarden Dollar ergeben. Das ist zwar eher eine rechnerische Drohkulisse als eine konkrete Entschädigungsforderung, aber die FTC legt die Latte für die Verhandlungen um einen Vergleich damit hoch.
Ihre Klage hat die Behörde bei demselben Bundesgericht in San Francisco eingereicht, bei dem bereits Hunderte andere US-Zivilklagen gebündelt sind. Zumeist geht es in dem Mammut-Verfahren um Vorwürfe von Fahrzeugbesitzern und Autohändlern wegen Betrugs und Vertragsbruchs. Hinzu kommt eine Klage des Justizministeriums im Auftrag des Umweltamts EPA, die Strafen von bis zu 46 Milliarden Dollar wegen Verstößen gegen das Luftreinhaltegesetz fordert.
Frist bis 21. April
Der zuständige US-Richter Charles Breyer hatte VW am vergangenen Donnerstag einen Fristaufschub bis zum 21. April gewährt, um eine Einigung mit der EPA auf einen Plan zur Umrüstung der Dieselwagen zu finden. Breyer fordert "spezifische und detaillierte" Vorschläge. Sollte sein Ultimatum nicht eingehalten werden, könnte er unter Androhung von Strafen anordnen, die Autos aus dem Verkehr zu ziehen oder VW noch in diesem Sommer einen Prozess machen.
Volkswagen hatte im September nach Vorwürfen der EPA eingeräumt, seit 2009 mit einer speziellen Software Abgastests in den USA ausgetrickst zu haben. Tatsächlich lag der Ausstoß des Schadstoffs Stickoxid um ein Vielfaches über den gesetzlichen Grenzwerten. Die FTC hatte im Oktober Ermittlungen in dem Fall aufgenommen. In den USA sind insgesamt fast 600.000 Diesel betroffen, weltweit etwa elf Millionen.
Aktie erholt sich
Den VW-Aktionären droht also weiteres Ungemach. Hinzu kommt noch ein möglicher Dividendenausfall. Und dennoch hat sich die VW-Aktie in den letzten Wochen von den Tiefstständen gelöst. Technisch hat das Papier Potenzial bis 130 Euro. Fakt ist: Wer in VW investiert, braucht weiterhin ein gutes Nervenkostüm. Die Volatilität wird hoch bleiben, es steckt noch viel Unsicherheit im Kurs. Dennoch: Auf Sicht von 12 bis 24 Monaten überwiegen eher die Chancen als die Risiken.
(Mit Material von dpa-AFX).