Die halbstaatliche Firma Gazprom ändert die Preisberechnung für das nach Europa gelieferte Erdgas grundsätzlich. Für den deutschen Kunden E.on hat das Nachzahlungen von 800 Millionen Euro mit sich gebracht. Die französische Energieversorgungsfirma Engie musste nichts nachzahlen.
Bislang vereinbarte Gazprom mit den europäischen Kunden, den Preis für das gelieferte Gas an den Ölpreis zu binden. Der Preis für ein Fass Öl der Nordsee-Sorte Brent sackte seit Mitte Juni 2014 um 62 Prozent ab. Ab jetzt orientiert sich der Preis für das Erdgas von Gazprom an den sogenannten Spotpreisen. Ein solcher Spotpreis wird an verschiedenen Gas Hubs genannten Handelsplätzen oder an Börsen gebildet. An der Börse European Energy Exchange (EEX) in Leipzig beispielsweise sank der Gaspreis bereits seit Anfang März 2013 um mittlerweile 57 Prozent. Gazprom profitierte also wohl gut zwei Jahre, von Anfang März 2013 bis etwa zu Beginn 2015, deutlich von der Ölpreis-Bindung.
Mit der Ölpreis-Bindung besser fahren
Der Ölpreis hat sich seit Mitte Januar dieses Jahres um etwa 50 Prozent erholt, während der Gaspreis an der EEX tendenziell weiter sinkt. Für Gazprom wäre also wohl schon bald eine Ölpreis-Bindung wieder günstiger. Trotz aller Beteuerungen deutscher Politiker, die Abhängigkeit vom russischen Gas zu senken, erhöhten die deutschen Kunden, wie eben E.on, den Marktanteil von Gazprom weiter. Der russische Konzern ist im vergangenen Jahr mit einem Anteil von 40 Prozent klarer Marktführer in Deutschland gewesen, weil er für weniger Geld lieferte als die Wettbewerber.
Dafür sollen die Aktionäre mehr Geld erhalten: Die Hauptversammlung soll am 30. Juni beschließen, die Ausschüttung je Aktie von 7,20 auf 7,40 Rubel zu erhöhen, was bei einem Aktienkurs von 153,50 Rubel einer Dividendenrendite von 4,8 Prozent entspräche. Damit schüttet Gazprom die Hälfte des Gewinns von 2015 an die Aktionäre aus. Was die Besitzer von ADRs bekommen sollen, steht noch nicht fest. Für das Jahr 2014 erhielten sie 0,27 Euro je ADR.
Für Mutige
Gazprom hat in der jüngeren Vergangenheit Geschäftsbeziehungen in die Volksrepublik China vertieft und neue aufgebaut. Den europäischen und deutschen Markt hat der russische Konzern darüber allerdings nicht vernachlässigt, sondern ausgebaut. Gazprom bleibt eine Macht, schließlich beherrscht die Firma die weltgrößten Gasreserven. Für konservative Anleger ist der ADR von Gazprom also weiter nichts. DER AKTIONÄR rät nur mutigen und langfristig ausgerichteten Investoren dazu, auf eine weitere Erholung des sehr günstig bewerteten ADR zu setzen (KGV: 4; KBV 0,3) und den Stoppkurs bei 2,90 Euro zu platzieren.