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09.04.2016 Marion Schlegel

Bayer: Das große Umpflügen

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Bayer

Am Agrochemiemarkt geht es derzeit rund. Das Übernahmefieber ist ausgebrochen. China National Chemical Corporation, kurz ChemChina, will sich die Schweizer Syngenta einverleiben. es wäre der bislang größte Zukauf eines chinesischen Unternehmens im Ausland. Die Chinesen werden 43 Milliarden Dollar für den Pflanzenschutz- Weltmarktführer auf den Tisch legen. Bereits im vergangenen Jahr hatte der US-Saatguthersteller Monsanto versucht, die Schweizer zu übernehmen, war jedoch gescheitert. Monsanto kommt langsam in Zugzwang, haben doch vor Kurzem auch DuPont und Dow Chemical den Zusammenschluss bekannt gegeben, die damit zum weltweit größten Anbieter von Pflanzenschutzmitteln und Saatgut mit mehr als 18 Milliarden Dollar Umsatz aufsteigen.

Nun könnte der nächste Paukenschlag folgen. Monsanto klopft in Deutschland an. Die Amerikaner haben Interesse an der Pflanzenschutzsparte von Bayer bekundet. Dies hauchte der Aktie des DAX-Konzerns ordentlich Leben ein. Die Hürde von 100 Euro wurde förmlich überflogen. Doch was hat es mit dem Interesse der Amerikaner auf sich?


Monsanto hatte bei den bisherigen Übernahmeaktivitäten im Sektor das Nachsehen und steht nun unter Druck. Die Amerikaner sind zwar Marktführer im Geschäft mit Saatgut, dem Konzern fehlt es aber an attraktiven Produkten im Pflanzenschutz. Hier würde Bayer, das hinter Syngenta die Nummer 2 am Pflanzenschutz-Markt ist, bestens zu Monsanto passen. Umgekehrt will sich Bayer im Saatgut-Geschäft verstärken. Aber ein Komplettverkauf des Bayer- Geschäftsbereichs steht wohl nicht bevor. Die Sparte stehe nicht zum Verkauf, hat der Vorstand auf der jüngsten Bilanzpressekonferenz betont. Ein solcher Schritt würde auch vollkommen der neuen Strategie von Bayer als Life- Science-Anbieter widersprechen. Erst kürzlich haben sich die Leverkusener neu aufgestellt und die Agrarchemiesparte als integralen Bestandteil des Konzerns bezeichnet. Nach der Trennung vom Kunststoffgeschäft Covestro setzt Bayer auf die drei Säulen Pharma, Consumer Health und Crop Science. Zudem ist fraglich, ob Monsanto so eine Übernahme überhaupt stemmen könnte. Branchenkenner sehen ein mögliches Angebot im Bereich von 40 bis 50 Milliarden Dollar.

Doch es muss ja nicht gleich ein Komplettverkauf sein. Möglich wäre durchaus ein Austausch von Teilbereichen oder eine Ausweitung der Kooperation. Davon könnte Bayer in besonderem Maße profitieren, zumal der DAX-Konzern eine gute Verhandlungsposition hat.

Bayer hat sich in den vergangenen Jahren enorm stark aufgestellt. Die Tochtergesellschaft Covestro hat Bayer im vergangenen Jahr in einem 1,5 Milliarden Euro schweren Börsengang abgespalten. An der ehemaligen Kunststoffsparte hält Bayer noch 60 Prozent. Deutlich ausgebaut hat Bayer das Geschäft mit rezeptfreien Arzneien durch die Übernahme der entsprechenden Sparte vom US-Konkurrenten Merck & Co. Das Geschäft gilt als enorm wichtige Säule mit stabilen Erträgen. Und Bayer will diesen hochinteressanten Bereich wohl durch weitere Akquisitionen in Zukunft sogar noch ausbauen.

Nicht weniger interessant ist die dritte Sparte, Pharma. Hier hat sich Bayer insbesondere in der margenstarken Krebssparte enorm verstärkt. Bayer ist beispielsweise im Besitz der Krebsmedikamente Stivarga und Xofigo. Über Potenzial verfügt auch das Krebsmedikament Nexavar. Dieses Präparat wird bei fortgeschrittenem Nierenkrebs und zur Behandlung von Leberkrebs eingesetzt. Nexavar bewirkt, dass die Blutversorgung der Krebszellen unterbunden wird. Das Wachstum der Krebszellen wird auf diese Weise verlangsamt. Darüber hinaus ist zudem die Pipeline in diesem Bereich enorm gut gefüllt. Mehr als ein Dutzend Wirkstoffe befinden sich in klinischen Phasen und könnten für die eine oder andere Überraschung sorgen.

Was den Wenigsten bekannt ist: Bayer ist auch im Zukunftsmarkt Gene-Editing enorm stark positioniert. Der Genforscher Klaus Rajewsky glaubt, dass diese „Methode die Medizin von Grund auf verändern wird“. Gene-Editing hört auf das Laborkürzel Crispr und ist eine Genschere, mit der sich das Erbgut schnell umschreiben, kürzen oder längen lässt. Krankheiten, gegen die bis heute kein Mittel hilft, sollen damit heilbar werden. Die US-Zeitschrift Science nannte das Verfahren den wichtigsten „Durchbruch des Jahres 2015“.

Erfinder der Crispr-Technik sind die Biotechnikerinnen Jennifer Doudna und Emanuelle Charpentier. Die beiden Frauen haben das Gros der Patente an Crispr angemeldet und zwecks Vermarktung bereits Start-ups gegründet. Bayer baut derzeit in Cambridge ein Joint Venture mit dem Start-up Crispr Therapeutics auf, zu dessen Gründern Emanuelle Charpentier gehört. Bayer verfolgt dabei das Ziel, möglichst schnell neuartige und schlagkräftige Präparate gegen Herzleiden zu entwickeln. Gene-Editing funktioniert wie der Befehl „Suchen und Ersetzen“ im Text verarbeitungsprogramm eines Computers. Zum Suchen nutzt die „Gen-Redigatur“ Schnipsel von RNA, einem engen Verwandten des Erbguträger-Moleküls DNA.

Diese Crispr-Elemente lassen sich Baustein für Baustein maßschneidern, damit sie sich haargenau an die Zielregion im Chromosom der Zelle anlagern. Dort schneidet dann die Genschere des Cas-Elements den kranken Teil aus dem DNA-Strang heraus, sodass ein zelleigenes Reparatursystem ein gesundes DNA-Stück einsetzen kann.


Die Strategie der Umstrukturierung in den vergangenen Jahren scheint sich auszuzahlen. Zumindest hat der Konzern das vergangene Geschäftsjahr mit einem neuen Rekordergebnis abgeschlossen. Seit 2011 hat sich der Umsatz von gut 36 Milliarden Dollar auf den neuen Rekordwert von 46 Milliarden Euro im Jahr 2015 erhöht. Der Gewinn je Aktie wuchs um zwei Drittel auf 4,97 Euro. Mit einem 2016er-KGV von nur 18 zählt Bayer trotz seiner Wachstumsstärke zu den günstigeren Werten im Pharmasektor.

Bayer gilt außerdem als Profiteur des derzeit schwachen Euro. Rund zwei Drittel der Umsätze werden außerhalb von Europa generiert. Auch im laufenden Jahr erwartet der Konzern nicht zuletzt deswegen erneut Rekordwerte bei Umsatz und Gewinn, wenngleich man sich beim Ausblick eher vorsichtig gezeigt hat. Gewinn und Umsatz sollen im laufenden Jahr im mittleren einstelligen Prozentbereich wachsen. Aus Sicht des AKTIONÄR dürfte dies aber durchaus eine konservative Schätzung sein. Dem neuen Firmenchef Werner Baumann, der am 1. Mai das Amt übernimmt, sollte damit der Weg geebnet sein für einen guten Einstieg mit einem Ergebnis über den Prognosen.

Und auch Anleger, die Wert auf eine gute Ausschüttung legen, finden in Bayer einen verlässlichen Dividendenzahler. In den vergangenen zehn Jahren ist die Ausschüttung nur einmal auf dem Niveau des Vorjahres geblieben, in allen anderen Jahren wurde die Dividende regelmäßig erhöht – zuletzt auf 2,50 Euro je Aktie. Auf dem aktuellen Niveau entspricht dies einer Rendite von 2,4 Prozent.

Die Agrochemiesparte von Bayer würde sicher gut zu Monsanto passen. Die Leverkusener werden die starke dritte Säule ihres Geschäfts aber wohl nicht hergeben. Stattdessen ist eine engere Zusammenarbeit mit Monsanto deutlich wahrscheinlicher. Davon würde auch Bayer in erheblichem Umfang profitieren können. Hinzu kommt die besonders starke Positionierung im Krebssektor sowie die zusätzliche Kursfantasie durch den neuen Megatrend Gene- Editing, in dem die Leverkusener am besten positioniert sind. Bayer ist eine defensivstarke Substanzanlage!

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