Bis zu seinem Rücktritt Ende 2008 war Klaus Rehnig sechs Jahre lang Aufsichtsratschef bei Wirecard, gilt als Investor der ersten Stunde und wurde durch den rasanten Aufstieg des Zahlungsabwicklers reich. In einem Interview sorgt der 73-Jährige nun für Aufsehen. Er sagt: „Bald wird ein internationaler Konzern Wirecard kaufen.“
Rehnig war bei Wirecard von Anfang an dabei, zum Start hielt er 20 Prozent der Anteile und ist auch heute noch „ausreichend“ bei seinem ehemaligen Unternehmen investiert, wie er im Interview mit dem Handelsblatt verrät. Auf die Frage, wann er seine Aktien denn verkaufen wird, gibt er eine überraschende Antwort: „Erst bei einem Kaufangebot eines Investors. Ich rechne damit, dass bald ein internationaler Konzern kommen wird und Wirecard kaufen will. Dann könnten die Aktionäre einen Zuschlag auf den Börsenwert von 30, 40 oder 50 Prozent erhalten.“
Er kann sich vorstellen, dass dabei auch ein chinesisches Unternehmen zum Zug kommen könnte – Widerstand von Seiten der Bundesregierung erwartet er nicht. „Ich glaube nicht, dass Wirecard ein kritisches Unternehmen im Außenhandel ist. Bei der Deutschen Bank sähe das anders aus.“
Wie realistisch wäre eine Übernahme?
Klar ist: Wer Wirecard übernehmen will, braucht tiefe Taschen. Trotz der jüngsten Konsolidierung kommt der DAX-Aufsteiger aktuell auf einen Börsenwert von rund 16 Milliarden Euro und ist damit mehr wert als beispielweise Deutsche Bank, RWE oder Lufthansa.
Hinzu kommt, dass ein potenzieller Käufer wohl einen satten Aufschlag auf den aktuellen Kurs zahlen müsste, um die aktuellen Investoren zum Verkauf zu bewegen. Der Zahlungsabwickler wächst rasant und ist operativ sehr gut aufgestellt, um vom globalen Trend hin zum mobilen Bezahlen und der digitalen Zahlungsabwicklung zu profitieren – das spiegelt sich auch in der Bewertung mit einem KGV von 40.
Allem voran Vorstandschef Markus Braun, der mit seiner Beteiligungsgesellschaft sieben Prozent der Anteile hält und damit größter Einzelaktionär ist, dürfte nur bei einem wirklich guten Angebot bereit sein, zu verkaufen. „Er ist mindestens ein genauso guter Stratege wie ich“, sagt Rehnig, der Braun im Jahr 2003 eingestellt hat und bis heute Kontakt zu seinen ehemaligen Kollegen in Aschheim bei München hält.
Mäßige Reaktion auf die Gerüchte
Im schwachen Gesamtmarkt ist die Wirecard-Aktie am Donnerstag erneut unter die Marke von 130 Dollar gerutscht. Legt man den vom Ex-Aufsichtsratschef genannten – und in Wachstumsbrachen durchaus üblichen – Übernahmeaufschlag von 30 bis 50 Prozent zugrunde, müsste ein potenzieller Käufer auf dem aktuellen Niveau zwischen 169 und 195 Euro pro Aktie bieten. Nachdem der Kurs allerdings erst im September bei 199 Euro seinen bisherigen Höchststand erreicht hat, hegt DER AKTIONÄR Zweifel, ob den Aktionären ein solches Angebot reichen würde.
Im freundliche Gesamtmarkt sorgen die Aussagen des früheren Aufsichtsratsvorsitzenden am Freitagmorgen für ein Kursplus von rund zwei Prozent. Das genügt der Wirecard-Aktie, um am letzten Handelstag des Jahres 2018 an die DAX-Spitze vorzurücken – wirklich überzeugt von den Übernahmespekulationen scheinen die Anleger allerdings nicht. Auch DER AKTIONÄR behält Wirecard zunächst auf der Watchlist.