Es wird ernst für VW. Ein einzelnes DIN A4-Papier könnte jetzt dafür sorgen, dass der DAX-Konzern weitere Strafzahlungen in Milliardenhöhe leisten muss. Heute beginnt in Braunschweig der Mammut-Prozess – die Aktie durchbrach im Vorfeld eine wichtige Unterstützung.
Der Prozess dreht sich nicht um Käufer von manipulierten VW-Modellen. Dieses mal klagen die Aktionäre. Über 2.000 Investoren fordern Entschädigungen von insgesamt 9,5 Milliarden Euro. Die zentrale Frage lautet: Hat VW die Anleger rechtzeitig über die Abgas-Manipulation informiert?
Der Vorwurf
Die Kläger argumentieren, dass sie VW-Aktien zu einem ungerechtfertigt hohen Kurs gekauft haben – denn die VW-Chefetage hätte bereits früher von den manipulierten Motoren gewusst. Hätte man dies eher kommuniziert, wäre der Aktienkurs früher gefallen und man hätte die Papiere billiger erworben.
Die Kläger werden vom Fondshaus der Sparkassen – Deka Investments – angeführt und von Rechtsanwalt Andreas Tilp vertreten. Wichtig bei diesem sogenannten Musterverfahren: Das Urteil ist für alle Kläger bindend.
Beweise der Kläger
Laut Tilp hätte VW bereits im Jahr 2008 zugeben müssen, dass man Abgas-Grenzen in den USA nicht einhalten kann. Denn in diesem Jahr setzte VW erstmals eine Betrugssoftware ein. Tilp argumentiert, dass VW zu diesem Zeitpunkt nicht in der Lage war, einen Dieselmotor nach US-Abgasvorschriften zu eintwickeln: „Das hätte VW spätestens im Juni 2008 mitteilen müssen.“ Ergo: Spätere Kursverluste der Mandanten wären geringer.
Zudem belastet VW ein Whistleblower-Papier des Ex-VW-Managers Bernd Gottweis. Darin hat er den damaligen VW-Chef Martin Winterkorn vor den Manipulationen gewarnt – und zwar am 14. September 2015. Erst am 22. September hat VW eine entsprechende Pflichtmitteilung veröffentlicht, um die Aktionäre zu informieren. Das Problem: Vom 14. Bis 22. September brach die VW-Aktie um mehr als 36 Prozent ein. Die Pflichtmitteilung hätte nach Auffassung der Anleger eher erfolgen müssen.
Im Vorfeld des Prozesses geben sich beide Seiten erwartungsgemäß optimistisch. Vor 2019 ist höchstwahrscheinlich mit keinem Ergebnis zu rechnen, da solche Musterverfahren Monate oder gar Jahre dauern können.
Neues Jahrestief erreicht
Die VW-Aktie liefert derzeit wenig Kaufargumente. Die Unterstützung bei 136,75 Euro wurde letzte Woche durchbrochen – am Freitag hat der Titel bei 132,40 Euro ein neues Jahrestief markiert. Trotz Prozessauftakt startet die Aktie heute mit einem Plus von 1,5 Prozent in die neue Handelswoche. Anleger lassen aktuell die Finger von der VW-Aktie und warten ab, bis sich ein Boden ausbildet. Bei 125,70 Euro liegt eine weitere, starke Unterstützungslinie.