Zum chinesischen Neujahrsfest, zu Hochzeiten oder der Geburt eines Kindes stehen sie im Mittelpunkt: rote Umschläge, prall gefüllt mit Geld. Die Tausende Jahre alte Tradition ist beliebt wie nie zuvor. Daran hat die „chinesische Facebook“ Tencent großen Anteil. Zum Neujahrsfest 2014 digitalisierte man diesen Brauch durch eine Anwendung im Messenger WeChat. Seitdem kann direkt und schnell in einem digitalen roten Umschlag Geld per Handy an Freunde und Familienmitglieder versendet werden. Der Durchbruch gelang, als im größten chinesischen Sender CCTV im Rahmen des Neujahrsfestes Werbe-Gutscheine per „rotem Umschlag“ vergeben wurden. Auch Firmen nutzen seitdem die roten Umschläge, um auf sich aufmerksam zu machen. Während des Neujahrsfestes ächzten die Server von Tencent unter der Last von unglaublichen 760.000 roten digitalen Umschlägen pro Sekunde.
Und Tencent ist innovativ: Seit Anfang 2017 ermöglicht es die Tencent-App QQ sogar, im Stil von Pokémon Go im realen Leben kleine rote Schätze zu entdecken. Der Erfolg der 1998 gegründeten und bereits seit 2004 börsennotierten Internetfirma fußt auf dem Instant-Messenger QQ. Allein hier wurden knapp 900 Millionen Accounts eröffnet, um mit Freunden zu chatten. Immer öfter wird die QQ Wallet oder die ebenfalls zum Tencent-Konzern gehörende Marke Weixin Pay auch für Finanztransaktionen benutzt. Neben dem Verschenken von roten Umschlägen werden über Internet gekaufte Waren mit Tencent bezahlt – und oft auch der dafür benötigte Kleinkredit über die App beantragt.
600 Millionen Payment-Kunden
Ein Riesengeschäft. Mittlerweile nutzen über 600 Millionen Kunden solche Bezahlservices von Tencent. Aufgrund der führenden Stellung des Internet-Giganten öffnen sich täglich auch neue klassische Geschäfte und Restaurants für solche Bezahlfunktionen per Smartphone. Konkurrenz von Apple oder Facebook braucht Tencent dabei nicht zu fürchten, da ausländische Anbieter immer noch von staatlicher Stelle ausgebremst werden.
Wie Facebook und Snapchat
Funktionen von Facebook oder Snapchat vermisst in China niemand – denn Tencent reagiert schnell auf neue Trends. So wurden 2016 zahlreiche neue Features bei QQ eingeführt, wie Video-Sticker und die unterhaltsame Veränderung von Bildern des Chat-Gegenübers.
48 Prozent Wachstum!
Der Erfolg gibt Tencent wieder einmal recht. Im Jahr 2016 kletterten die Umsätze um beeindruckende 48 Prozent auf 21,9 Milliarden Dollar. Der Gewinn verbesserte sich dabei um 42 Prozent auf knapp sechs Milliarden Dollar.
Wachstumsstärkster Bereich der Chinesen ist Mobile-Gaming. 2016 lockte allein das Smartphone-Spiel Honour of Kings 50 Millionen aktive Spieler an. Damit gelang Tencent im Q4 bei Smartphone-Games ein Umsatzsprung von 51 Prozent – mittlerweile erzielt Tencent ein Viertel seiner Umsätze damit. Mit Marken wie League of Legends, Dungeon & Fighter und Cross Fire ist Tencent zudem Chinas führender Anbieter für PC-Spiele.
Und Tencent hat große Ambitionen, diesen Bereich weiter nach vorne zu peitschen. Dies unterstrich 2016 die Übernahme des finnischen „Clash of Clans“-Schöpfers Supercell. Chinas größte Internetfirma führte eine Gruppe an, die 84 Prozent der Anteile für 8,6 Milliarden US-Dollar in bar übernahm. Tencent hatte lediglich ein KGV von 13 für die Finnen bezahlt.
China-Milliarden für Tesla
Tesla ist teurer, könnte sich am Ende jedoch trotzdem für die Chinesen auszahlen. Tencent hat über eine Kapitalerhöhung und dem Markt eine 5-Prozent-Beteiligung an Tesla aufgebaut. Investition: 1,8 Milliarden Dollar. Ein Klacks für Tencent, dessen reine Barmittel bei rund zehn Milliarden Dollar liegen.
Es dürfte nicht beim reinen Finanzengagement bleiben. Morgan-Stanley-Analyst Adam Jones hatte zunächst einen neuen Großinvestor bei Tesla vorhergesagt – und recht behalten. Nun schrieb er, es würde ihn „nicht überraschen“, wenn der Elektroautobauer und Tencent gemeinsam neue Produkte entwickeln. Klar ist, dass das Auto der Zukunft vollgepackt mit Monitoren und Selbstfahrfunktionen immer mehr zum Entertainment- und Gaming-Fahrzeug wird.
Investitionen in künstliche Intelligenz
Was Tesla und Tencent eint, ist das große Interesse an der künstlichen Intelligenz. Tencent hat vom Erzrivalen Baidu Forscher abgeworben und baut ein KI-Team mit 200 Produktentwicklern auf. Bisher war der Ansatz noch spielerisch. Ein digitales Gehirn von Tencent hat im Brettspiel Go 80 Prozent aller Spiele gegen Profispieler gewonnen. Doch nun macht Tencent Ernst: Vor wenigen Tagen gaben die Chinesen bekannt, auf Superchips von Nvidia zurückzugreifen, um das Machine Learning voranzutreiben. Das Ziel ist klar: Die künstliche Intelligenz soll in nie da gewesener Klarheit erkennen, was welcher Kunde gerade benötigt, und helfen, neue Gaming- oder Payment-Produkte zu entwickeln.
Relativ günstig
Tencent ist kein Schnäppchen. Doch angesichts eines durchschnittlichen Gewinnwachstums von 33 Prozent relativiert sich das 2018er-KGV von 25 schnell. Während Facebook ein 2017er-KUV von 11 aufweist, wird Tencent nur mit einem Kurs-Umsatz-Verhältnis von 9 bewertet.
Und das Wachstumspotenzial bleibt enorm. Schon jetzt stellt das Riesenreich 20 Prozent der weltweiten Internetgemeinde. Bis 2020 dürfte die Anzahl der Chinesen mit Internetzugang um weitere 30 Prozent auf 900 Millionen zulegen.
Aufwärtstrend ungebrochen
Der Einstieg bei Tesla unterstreicht die finanzielle Kraft und das Interesse an neuen Technologien von Tencent. Der Aufwärtstrend ist stark und die Bewertung angesichts der Wachstumsraten noch moderat. Der Internet-Gigant bleibt dank neuer Produkte auf dem Wachstumspfad und eine exotische Beimischung für jedes Internetdepot.
(Dieser Artikel ist in der AKTIONÄR-Ausgabe 15/2017 erschienen)
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