Im abgelaufenen Jahr hatten die Anleger bei Wacker Chemie nur wenig Grund zur Freude. Die Aktie des Spezialchemiekonzerns hatte ihren Wert halbiert. Neben den Sorgen um einen Konjunktureinbruch hatte sich die schwache Entwicklung im margenstarken Geschäft mit Polysilizium deutlich negativ bemerkbar gemacht. Doch im noch jungen Jahr deutet einiges auf ein Comeback der Aktie.
Wacker Chemie ist ein weltweit operierender Chemiekonzern mit einem Jahresumsatz von mehr als fünf Milliarden Euro. Die Hälfte der Erlöse und zwei Drittel des EBITDA erzielen die Münchner in der Silikonsparte (Silicones) mit Schmiermitteln und Dichtstoffen für die Auto-, Bau-, und Chemieindustrie. Die Nachfrage zeigte sich zuletzt recht robust.
Im Fokus steht derzeit aber das margenstarke Geschäft mit hochreinem Polysilicium, einem zentralen Rohstoff für die Halbleiter- und Solarindustrie. Als Pionier der ersten Stunde zählt Wacker Chemie zu den Weltmarktführern bei der Produktion dieses Materials. Doch die Polysiliziumpreise sind am Boden. Die Nachfrage ist extrem zyklisch und im Vorjahr deutlich eingebrochen, nachdem China als größter Abnehmer Mitte 2018 beschlossen hatte, den Ausbau der Solarenergie runter zu fahren.
Experten gehen für 2019 zwar von anhaltend niedrigen Polysiliziumpreisen aus. Dieser Pessimismus bietet allerdings enormes Überraschungspotenzial. Zumal die Chinesen dem Vernehmen nach Erneuerbare Energie aus Solar- und Stromprojekten wieder wettbewerbsfähiger machen wollen. Werden aus den Spekulationen konkrete Pläne, dann dürfte das die Nachfrage nach dem Rohstoff Polysilizium antreiben und für wieder steigende Preise sorgen. Folge: Das Segment „Wacker Polysilicon“, das im dritten Quartal mit einem knapp 50-prozentigen Umsatzrückgang zu kämpfen hatte, könnte in den nächsten Quartalen deutliches Wachstum verzeichnen – und somit als Kurstreiber fungieren.
Zu diesem Schluss kommen auch erste Analysten: Die politischen Signale aus China zu einer Neubelebung des Solarmarktes seien angesichts der hohen Lagerbestände, die das Spezialchemieunternehmen vor Ort aufgebaut habe, positiv, so Commerzbank-Analyst Michael Schäfer. Er empfiehlt die Aktie von Wacker Chemie daher mit Kursziel 95 Euro unverändert zum Kauf. Bereits kurz vor Weihnachten hatte die britische HSBC erklärt, dass die Konsensschätzungen für das Spezialchemieunternehmen von übertrieben negativen Annahmen für 2019 geprägt seien. Die Analysten sehen die Aktie sogar erst bei 110 Euro fair bewertet.
Im abgelaufenen Jahr sollen die Umsätze um einen niedrigen einstelligen Prozentsatz steigen (Vorjahr: 4,92 Milliarden Euro). Das EBITDA soll um einen mittleren einstelligen Prozentsatz über dem Vorjahreswert von rund einer Milliarde Euro liegen. Die EBITDA-Marge wird leicht über dem Vorjahr erwartet. Die Abschreibungen liegen mit rund 550 Millionen Euro deutlich unter Vorjahr. Damit erscheint ein EBIT von gut 500 Millionen Euro realistisch. Beim Konzernjahresüberschuss aus fortgeführten Aktivitäten rechnet der Konzern mit einem deutlichen Anstieg. Am Ende könnte für 2018 ein Gewinn je Aktie in Höhe von 6,80 Euro zu Buche stehen. Auch wenn die Aussichten insgesamt schwer einzuschätzen sind, sollte es Wacker Chemie auch im laufenden Jahr gelingen, bei Umsatz und Gewinn weiter zuzulegen.
Mit einem KGV von 13 und einer operativen Marge von 20 Prozent ist die Wacker-Aktie mittlerweile recht günstig bewertet. Zieht die Nachfrage im margenstarken Geschäft mit Polysilizium wieder an, dann dürfte die Aktie in den kommenden Wochen wieder Kurs auf die 100-Euro-Marke und mehr nehmen. Anleger sollten sich dabei aber auf einen anhaltend volatilen Kursverlauf einstellen. DER AKTIONÄR spekuliert im Real-Depot mit einem Call auf steigende Kurse.
Hinweis nach §34 WPHG zur Begründung möglicher Interessenkonflikte: Aktien oder Derivate, die in diesem Artikel besprochen / genannt werden, befinden sich im "Real-Depot" von DER AKTIONÄR.