Die geplante Fusion von Deutscher Börse und London Stock Exchange (LSE) zu einer „europäischen Superbörse“ steht vor dem Aus. Dass der Zusammenschluss wohl auch im fünften Anlauf scheitert, soll in erster Linie an einer Forderung der EU-Kommission liegen.
LSE hat am Sonntagabend mitgeteilt, dass die europäischen Wettbewerbshüter den Verkauf weiterer Geschäftsbereiche gefordert hatten. Dazu sei das Unternehmen jedoch nicht bereit. „Basierend auf der aktuellen Position der Kommission geht die LSE davon aus, dass es unwahrscheinlich ist, dass die Kommission die Fusion genehmigen wird“, so die Londoner.
„Unverhältnismäßige Forderung“
Konkret habe die Kommission von der LSE den Verkauf der Mehrheitsbeteiligung an der italienischen Handelsplattform MTS gefordert. Zwar sei die Sparte relativ klein und kein wesentlicher Ertragsbringer LSE, das Italien-Geschäft sei jedoch sehr wichtig für den Konzern.
Darüber hinaus äußerte der britische Börsenbetreiber Zweifel, dass die italienischen Behörden einem Verkauf von MTS überhaupt genehmigen würden. Die LSE bezeichnete die Forderung als „unverhältnismäßig“ und kündigte an, die von der EU gestellte Frist für weitere Zugeständnisse am heutigen Montag ungenutzt verstreichen zu lassen.
Nur ein Vorwand?
Sofort nach der Erklärung wurden jedoch Spekulationen laut, ob der Zwist um die italienische Tochter der tatsächliche Grund für das voraussichtliche Scheitern der Übernahme ist. Erst in der Vorwoche hatte es im Londoner Parlament eine Debatte um die Fusion gegeben. „Es geht um eine Übernahme unserer Kronjuwelen“, sagte Bill Cash, ein EU-kritischer Abgeordneter aus der konservativen Regierungspartei.
Deutsche Börse offenbar überrascht
Die Deutsche Börse hat die Entscheidung der LSE gegen den Verkauf der MTS-Beteiligung bestätigt. Laut einem Insider sei man in Frankfurt vom Entschluss der LSE jedoch überrascht worden. „Damit ist das Ding wahrscheinlich gegessen“, sagte eine mit der Fusion vertraute Person. Beide Unternehmen müssen nun abwarten, wie die EU-Kommission die Situation bewertet. Mit einer Entscheidung sei bis Ende März zu rechnen.
Keine Panik!
Mehrere Versuche, die beiden Börsenbetreiber zu fusionieren, waren in der Vergangenheit gescheitert. Vor allem wegen hoher regulatorischer Hürden hatten Analysten die Erfolgswahrscheinlichkeit zuletzt auf weniger als 50 Prozent beziffert. Dennoch geht es für die Papiere der beiden Börsenbetreiber heute teils deutlich bergab.
Auch wenn die Fusion nun platzen sollte, ist die Deutsche Börse gut aufgestellt. Neben steigenden Zinsen dürfte das Unternehmen auch vom höheren Handelsvolumen im Zusammenhang mit den Wahlen in vielen europäischen Ländern profitieren. Die Kaufempfehlung des AKTIONÄR hat daher unverändert Bestand.